folgendes gesagt werden: Der gläubige Mensch, zumal der katho­lische Mensch weiß, daß er die Wahrheit hat. Wir sind überzeugt, daß wir den richtigen Weg gehen, nicht weil wir besser sind oder intelli­genter als die anderen, sondern weil unsere Grundlage unfehlbar ist, nämlich die christliche Weltanschauung. Sie gründet nicht in mensch­licher Weisheit, sondern ist aufgebaut auf dem Felsenfundament der göttlichen Offenbarung. Wir haben die Wahrheit, das ist unsere Stärke und unsere Schwäche. Unsere Stärke, weil wir unbesiegbar und unüberwindlich sind; unsere Schwäche, weil wir uns sicher und geborgen fühlen, aber dieses Bewußtsein beruhigt oft mehr als gut ist. Daher finden wir in unseren Reihen oft einen Mangel an Dyna­mik, an Aktivität, an Spannkraft.

Der fromme Mensch ist im allgemeinen ein unpolitischer Mensch. Er hat

zu wenig Interesse für Politik. Das ist unser erster Fehler. Er lebt gleichsam in einer anderen Welt, und die Dinge dieser Welt interessieren ihn nicht. Ich begreife das sehr wohl; ich kann hier aus Erfahrung sprechen. Wenn man gewohnt ist, aus den Quellen des ewigen Lebens zu schöpfen, wenn man die Schönheit der Bibel oder den Höhenflug theologischer Spekulation erlebt hat, dann fühlt. man sich nicht mehr wohl in der staubigen Arena des politischen Lebens. Man kommt sich vor wie ein verirrter Vogel, und ich ver­stehe es sehr wohl, wenn so mancher Priester zu mir sagt, wie kannst du dich nur um solche Dinge kümmern? Ja, es ist richtig, es ist schö­ner, die Bibel zu lesen oder ein mystisches Buch als das Kommunni­stische Manifest. Es ist schöner, erbauliche Gespräche zu führen, als den politischen Kampf mitzuführen. Aber schließlich handelt es sich nicht darum, was schöner ist, sondern was heute in der Zeit, in der wir leben, entscheidend ist für die Zukunft unseres Volkes. Dazu kommt zweitens, daß wir als Christen zu wenig Klarheit haben über die Frage, was wollen wir nun eigentlich in der Politik? Wollen wir nur das Feuer löschen, wenn es irgendwo brennt? Wollen wir nur kirchliche Interessen verteidigen, die sogenannten kulturpoliti­schen Belange? Wollen wir nur Bedrängten helfen; oder haben wir einen eigenen politischen Willen? Was wollen wir eigentlich? Wollen wir die Macht oder lehnen wir die Macht grundsätzlich ab? Gibt es eine christliche Staatsidee?

eine christliche Wirtschaftsordnung? ein christliches Gesellschaftsbild?

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Der Jesuitenpater Delp, der auch ein Opfer des Faschismus ge­worden ist, sagte einmal zu mir: Wir brauchen eine katholische Phänomenologie der Macht." Wir haben noch keine katholische Aus­einandersetzung mit Hegel . Da herrscht noch viel Unklarheit.

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