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gedanken. Es gibt eine von Menschen unabhängige, vom Schöpfer selbst in die Welt hineingelegte Ordnung. Gott hat die Welt als Kos­mos erschaffen, nicht als Chaos. Es gibt daher eine natürliche Gesell­schaftsordnung. Diese Ordnung ist freilich durch die Erbsünde oder, besser gesagt, durch die Ursünde in Unordnung geraten. Wir haben es also nach einem feinsinnigen Wort von Theodor Haecker mit einer ,, in Unordnung geratenen Ordnung" zu tun. Und es ist unsere Auf­gabe, das eigentliche Wesen der christlichen Politik, die in Unord­nung geratene Ordnung wieder in Ordnung zu bringen. Darum sagt auch Pius XII. ( Weihnachten 1945): ,, Es gibt nur eine Lösung: Zurück zu der vom Schöpfer in die Welt hineingelegten Ordnung!"

Auch das Wort und der Begriff ,, sozial" bedarf dringend einer Neubesinnung. Es ist so abgeschliffen, ja nicht selten falsch gefaßt worden. Sozial bedeutet vielfach nichts anderes als caritativ, also Rücksicht auf den kleinen Mann, auf die zu kurz Gekommenen. Diese Begriffsauffassung ist viel zu eng, um nicht zu sagen falsch. Sozial bedeutet Bezugnahme auf die Gemeinschaft, nicht nur auf den ein­zelnen. Am klarsten kommt uns das zum Bewußtsein, wenn wir das Gegenstück ins Auge fassen. Der asoziale Mensch ist ein Mensch, der dahinlebt, als wenn er allein auf der Welt wäre, als wenn es keine Gemeinschaft, keine Gesamtheit gäbe. Asozial ist nicht bloß der Mensch, der stiehlt oder nichts arbeiten will, asozial ist nicht bloß der Arbeitgeber, der seine Arbeiter ausbeutet, sondern auch der Arbei­ter, der dem Arbeitgeber seinen Betrieb nehmen möchte, wenn er nur könnte, oder der seine Pflicht nicht tut oder nur so weit, daß er mit knapper Not seinen Lohn verdient. Asozial ist der Priester, der bloß an seine eigene unsterbliche Seele denkt, vielleicht noch an die unsterbliche Seele der ihm Anvertrauten, dem aber der Blick für die Totalität der Menschheit fehlt. Das bekannte Wort ,, Rette deine Seele!" kann sich sehr asozial auswirken. Roosevelt hat in seiner letzten Rede, einen Tag vor seinem Tod, gesagt: ,, Wir brauchen eine neue Wissenschaft, die Wissenschaft vom Zusammenleben der Men­schen"; und Pius XI. hat in der Enzyklika Quadragesimo anno ge­sprochen von der ,, ardua humanae consortionis causa", d. h. von der schwierigen Frage der menschlichen Schicksalsgemeinschaft. Unsere Zeit schreit nicht bloß nach einer Sozialethik, wie wir bereits gesehen haben, nach einer Sozialpädagogik, sondern auch nach einer Sozial­theologie. Ansätze hiezu finden wir schon in dem großen Geheimni vom Corpus Christi Mysticum. Religion ist ja, wie man schon wieder­holt gesagt hat, nicht nur das Verhältnis von ich und Gott, sondern von wir und Gott. Wir Menschen sind nun einmal eine Sozietät, sonst wäre ja die Erbsünde gar nicht zu begreifen. Daher der Ruf nach der justitia socialis, worunter man die Pflichten versteht, die der einzelne

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