Meinung hat, einen Feind sieht, einen Volksschädling. Vielleicht könnten wir so sagen: man kämpft nicht mehr miteinander, sondern man ringt miteinander um das gleiche Ziel. Wir müssen gemeinsam den Kreuzweg gehen, der dem deutschen Volk auferlegt ist. Die Gegensätze und Unterschiede haben sich abgeschliffen. Man kann das begrüßen oder verurteilen, aber es hängt so etwas wie Unionsgeist in der Luft. Speziell wir Katholiken haben heute eine andere Stellung. Früher waren wir jahrzehntelang das Zünglein an der Waage zwischen rechts und links. Die Zeit ist vorbei. Wir haben nur die Wahl, entweder hundertprozentig in die Verantwortung zu gehen oder hundertprozentig in die Opposition. Für besonders wichtig und richtig halte ich den Grundsatz, der heute immer mehr an Boden gewinnt, daß man auch den Gegner in die Verantwortung mithereinnimmt, selbst wenn er in der Minderheit ist. Früher versuchte man, den Gegner auszuschalten, heute ihn einzuschalten.
Es gibt viele Menschen, die für das Zweiparteiensystem schwärmen. Ich gehöre nicht zu diesen. Ich glaube nicht, daß man Methoden, die in anderen Ländern unter anderen Umständen sich eingebürgert haben, ohne weiteres in unsere Verhältnisse übernehmen kann und soll. Im Interesse der Klarheit würde ich am liebsten sehen, wenn es vier Parteien gäbe auf der Grundlage der vier Weltanschauungen. Das ist zur Zeit allerdings nicht möglich, nachdem diejenigen, die auf dem Boden der völkischen Weltanschauung stehen, keine Möglichkeit der politischen Betätigung haben. Tatsächlich nähern wir uns auch in Deutschland , besonders in Bayern , dem Zweiparteiensystem. und müssen wohl für längere Zeit damit rechnen. Sozialdemokratie und Union sind die beiden Blöcke, auf die sich die überwiegende Mehrheit des Volkes einstellen muß.
Wir erleben eine soziale Umschichtung in weiten Kreisen des Volkes. Viele Menschen, die gestern noch in leitender Stellung sich befanden, müssen heute froh sein, wenn sie in einer untergeordneten ihr tägliches Brot finden. Und umgekehrt, viele, die bisher nur ausführende Arbeiten verrichteten, sind in leitende Stellungen gekommen. Hoffentlich wirkt sich das gut aus. Ganz groß aber ist die Umschichtung im Vermögen. Man kann wohl, roh gerechnet, sagen: ein Drittel unseres Volkes hat alles verloren, ein Drittel ist mehr oder minder geschädigt und ein Drittel hat so gut wie nichts verloren. Aber sie sollen sich nicht nur nicht zu früh freuen, sie werden schon noch geschröpft werden. Tatsächlich sind wir alle arm geworden. Wir nähern uns der klassenlosen Gesellschaft, ob wir wollen oder nicht; ob das ein Glück für unser Volk ist, ist erst eine Frage. Ein geistiger Umbruch geht vor sich, der freilich erst in seinen ersten Anzeichen bemerkbar ist.
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