1. Weltanschauungsgruppen verschieben sich. Der Fa­schismus ist ausgeschaltet. Der Liberalismus sucht ein Obdach und ist heute weithin die Weltanschauung des Sozialismus geworden. Wir Deutsche kommen nicht herum um die Weltanschauung, was das Aus­land oft nicht versteht, das ist unsere Schwäche und unsere Stärke. Das Wort, das Lenin am Sterbebett gesagt haben soll, kommt mir unwillkürlich in den Sinn: In hundert Jahren gibt es nur noch zwei Weltanschauungen: den Bolschewismus und den Katholizismus.

2. In der Staatsauffassung hat sich viel geändert. Der totale Staat, die autoritäre Staatsführung hat an Kredit verloren. Demokratie ist die Losung unserer Zeit. Aber die Auffassungen über das Wesen der Demokratie gehen weit auseinander. Moskau versteht darunter etwas ganz anderes als Amerika oder England. Demokratie ist keine Staatsform, wie etwa Monarchie oder Republik , sondern ein Regierungsprinzip. Demokratie ist nur ein Gefäß, es kommt dar­auf an,"' was man dem Gefäß für einen Inhalt gibt. In einem Punkt scheinen sich alle einig zu sein, die Grundrechte der Menschen, die sogenannten allgemeinen Menschenrechte sollen die Grundlage und der Ausgangspunkt der Demokratie sein. Aber auch hier ist ein großer Unterschied. Die Menschenrechte müssen fundiert sein in der Ewigkeit, im Willen des Schöpfers, sonst hängen sie in der Luft. Als im Jahre 1776 der nordamerikanische Staat Virginia zum ersten­mal die Menschenrechte proklamierte, da berief er sich ausdrücklich auf den Willen Gottes. Als dann 1789 die französische Revolution im Namen der Menschenrechte die alte Ordnung stürzte, ließ sie bewußt diese Begründung fallen, und doch sind die Menschenrechte entstanden im Kampf um die Rechte der religiösen Minderheiten. Sie sind also ursprünglich ein Produkt religiöser Kämpfe gewesen. Wenn Freimaurer und Liberale die Menschenrechte vor allem für sich mit Beschlag belegen, so muß uns das mit großem Mißtrauen erfüllen, weil auf ihrem Boden die Menschenrechte niemals eine rechte Verwurzelung finden können.

3. Die Rechtsauffassung hat eine ungeheure Wandlung durchgemacht. Wir haben es in den letzten Jahren erlebt, wohin ein Volk kommt, wenn seine Rechtsordnung ins Wanken gerät. Der Rechtspositivismus, der nur das geschriebene Gesetz gelten läßt, der Staatsabsolutismus, der im Staat die einzige Quelle des Rechtes sieht, die sogenannte völkische Rechtsauffassung, die in der Rasse die Wur­zel des Rechtes sieht, hat Fiasko gemacht. Nur das ungeschriebene Gesetz, das Recht, das mit uns geboren wird, das Naturrecht, gibt den festen Boden für eine klare Rechtsordnung. Das hat man beson­ders bei uns in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gelten lassen wollen. Man hat uns Katholiken verhöhnt, wenn wir uns auf das

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