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Nach einer strengen Vorschrift mussten die Speicher ent­rümpelt werden. Wehe, wenn dort ein Kontrolleur auch nur einige Fetzen Papier fand! Aus heillosem Respekt vor meinem Gönner, SS- Oberführer Dunkern, wagte es aber kein Mensch ,. in Dieuze unter das Dach meines Pfarrhauses hinaufzusteigen. So war es möglich, die vielen hundert Bände der Dieuzer Pfarr­bibliothek unter die Ziegel zu verstecken. Auch die äusserst wertvollen Archive der Stadt Dieuze standen auf dem Ausster­beetat. Diesen« französischen Plunder» hatte man bereits zum Teil in Körben kunterbunt zusammengetragen. Die Herren Rouzet und Henri Scherrer von Dieuze , auch Fräulein De­mange, Angestellte im Rathaus, halfen mit, diese bedrohten Archive zu retten. Die flüchtig ningeworfene Drohung eines Berichtes an Dunkern bewog den Dieuzer Stadtkommissar Spilger, all den« französischen Plunder» unangetastet zu lassen.

Als einmal der Oberförster von Dieuze die zum Luftschutz­dienst angetretenen Lothringer wegen schlechter Haltung beim Appell mit« Saubaufen» anredete, meinte dieser gehässige Nazi auf meinen Protest hin, die Ausdrücke mit« Sau» trügen keinen beleidigenden Charakter. Das mag stimmen, denn der Deutsche hat« saumässig» viele Redensarten, die an das weib­liche Borstentier erinnern. Der Deutsche bezeichnet nämlich seine grossen Erfolge mit« Sauglück», sein Pech mit dem Aus­ruf:« Das ist unter aller Sau!», unterhält sich auch mal schwitzt << säuisch»>, beschimpft seine Gegner mit<< Saukerle», wie eine<< Sau», schreit wie eine« gestochene Sau»>, liebt das geflügelte Wort« kannibalisch wie 500 Säue fressen»; und mancher Professor wird beim Lesen dieses lang geratenen Satzes« sauwild» ausrufen:« Stilistisch betrachtet, ist das ganze eine<< Sauerei>>.

Anfangs 1941 wurde in der Kirche von Dieuze vor der eigentlichen Predigt folgendes« Hors- d'œuvre» aufgetischt, auf die unsere Lothringer jeden Sonntag gespannt waren. Die Ansprache begann:« Gestatten Sie mir eine ernste Bemerkung über ein bedauerliches Vorkommnis, das in jedem Kultur­menschen die tiefste Entrüstung auslösen sollte. Dieser Tage kam ich zufällig auf unsern Judenkirchhof und sah mit Ent­setzen, dass Denkmäler umgestürzt, Grabsteine weggerissen, ja sogar zum Teil zerschlagen worden sind. Unser gemütvolle Dichter Uhland singt so schön:« Am Ruheplatz der Toten, da pflegt es still zu sein. Man hört nur leises Beten bei Kreuz und Leichenstein .» Es widerstrebt mir die Annahme, dass eine solche abscheuliche Grabschändung auf das Konto der kul­turell so hochstehenden Deutschen gesetzt werden könnte. Uebrigens sieht das deutsche Strafgesetzbuch für Grabschän­dung Gefängnis ver. Als Urheber der Schandtat kommen wohl nur Ausländer in Betracht. Sollte ein Zuhörer die Grabschänder kennen, möge man mir vertraulich die Namen angeben, damit die Gestapo sofort energisch eingreifen kann.» Jedermann wusste, dass die Gestapo diesen Vandalismus selbst angeord­net hatte. Ich fuhr in meiner Ansprache fort:« Bedauerlicher­weise hat ein fataler Kurzschluss in der Synagoge dieses schö­ne Gotteshaus zerstört. Ist es Zufall oder von der Vorsehung