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DER BISCHOEFLICHE KOMMISSAR.
Nach der Vertreibung der 101 lothringischen Geistlichen am 28. Juli 1941 setzte sich der Kampf des Naziunterdrückers gegen die Lothringer unvermindert fort. Einige interessante Fälle mögen der Nachwelt überliefert werden.
1. Kühne Taten.
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In der Kirche von Rech stehen die Statuen der hl. Jeanne d'Arc und des hl. Königs Louis. Einst liess ein Beamter des Wiederaufbaus in meiner Abwesenheit meine Schwester in die Kirche kommen und schrie sie an:« Die hier kenne ich, die Jungfrau von Orléans. Die muss hinaus. Was ist denn das für ein König dort, ihr gegenüber?» Spöttisch antwortete meine Schwester:« Das wird wohl der Mann von der Jungfrau von Orléans sein.» Nun brüllte der Nazi noch lauter: « Dann muss er auch hinaus, und zwar sofort.» Am andern Tag kam es zwischen diesem Bilderstürmer und mir zu einem scharfen Zusammenstoss. Beide Statuen blieben unberührt.
Vor der Kirche von Rech steht eine Lourdesgrotte aus Beton. Eines Tages wurden vom Wiederaufbau einige lothringischen Arbeiter mit einer Bohrmaschine zu diesem Denkmal geschickt. Mir gab der reichsdeutsche Chef der Arbeiter den Befehl, die Statuen zu entfernen, denn die Grotte würde dem Erdboden gleichgemacht werden. Da stellte ich mich auf die erste Stufe der Grotte und rief:«< Die Bohrmaschine geht zuerst durch meinen Leib, dann erst durch die Grotte. Wer von Euch Lothringern wagt es, das Heiligtum zu vernichten?>> Kein Mensch bediente die Bohrmaschine. Mit der Drohung meiner baldigen Verhaftung wegen Aufwiegelung zum Generalstreik verschwand der Nazi. Die Lourdesgrotte steht heute noch an ihrer Stelle. Allerdings rissen die Nazi das Schutzdach weg. Durch Regen und Schnee haben die Statuen sehr gelitten, sind jetzt aber auch wieder in Ordnung.
Der gewissenlose Kreisleiter von Château- Salins , Gauweiler mit Namen, liess anfangs 1941 die Geldschränke aus den Pfarrhäusern der im Herbst 1940 vertriebenen Pfarrer öffnen, sogar wegschleppen. Das Geld der Kirchenfabriken, erwiesenermassen auch Messtipendien, war bald verschwunden. Immer und immer wieder forderte ich die Zurückerstattung dieser Gelder und drohte sogar mit Anzeige beim Vatikan . Der endlosen Reklamationen müde, erklärte mir der Stadtkommissar von Dieuze , sichtlich beschämt:« Das Geld ist abhanden gekommen.» Er übergab mir nur etwas Kleingeld, das nach seiner Aussage noch vorgefunden worden wäre. Alles übrige ist verprasst worden. Gauweiler hatte in einem Hotel der Stadt Château- Salins mit seinen Gesinnungsgenossen« Fress- und Saufabende» organisiert, was mir der Verwalter des Hotels selbst erzählte. Gauweiler ist Ende Februar 1941 spurlos verschwunden. Gerüchteweise soll er erschossen worden sein. Jedenfalls hat das unnachgiebige Verhalten der Lothringer in Sachen der Coffres- forts zum Sturz des verhassten Gauweiler beigetragen.


