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den war. Ich solle die Quantität und die Qualität dieses ge­stohlenen Weines angeben. Nun fuhr ich wieder nach Nancy zurück, wo an die fünfzig Kollegen angetroffen mir wurden. Viele gaben aber Aufträge mit, keiner stellte den ernsten Antrag wieder nach Lothringen zurückzu­kehren. Zweimal besuchte ich den Hochwürdigsten Herrn Bi­schof von Nancy und entledigte mich hier meines Auftrages. Auch in Epinal fand eine interessante Aussprache mit meinen Kollegen statt. Hier traf ich zufällig den Bischof von Saint­Dié. In Charmes beunruhigte mich eine aussergewöhnliche Müdigkeit mit hohem Fieber. Ich kehrte sofort nach Dieuze zurück, wo ich schwerkrank drei Wochen lang das Bett hüten musste. Dunkern erhielt erst nach meiner Genesung einen kurzgefassten Bericht. Er würdigte mich keiner Antwort Hiermit war meine delikate Mission beendet.

Durch Vermittlung deutscher Bischöfe und anderer Wohl­täter liefen namhafte Beträge ein, die manchen ausgewiesenen Geistlichen, besonders aber deren Angehörigen aus harter finanzieller Not retteten. Die Gestapo wollte von mir die Quelle der vielen Gelder erfahren. Die Pflicht des Berufsge­heimnisses galt als Vorwand meines energischen Schweigens. Gottlob erfuhr sie nur Ungenaues von den Summen, die per Post und durch die Bank verschickt worden waren. Was nach Innerfrankreich kam und wie die Mark in Franken gewechselt wurden, blieb ihr natürlich geheim, ansonsten wäre es mir wegen Devisenschiebung sehr schlecht ergangen. Jedenfalls hat die Ausweisungsaffäre der 101 Geistlichen mich reif für Dachau gemacht.

3. Die brutale Art der Ausweisung unserer 101 Geistlichen.

Am 28. Juli 1941 standen morgens zwischen sechs und neun Uhr Autos, mit dem unheilverkündenden Wort« Pol>> neben der Wagennummer, vor vielen lothringischen Pfarr­häusern. Gestapoagenten in Zivil forderten die Geistlichen auf, in das Auto einzusteigen. Als Grund für die unerwartete Zwangsspazierfahrt galten verlogene Vorwände, wie kurzfri­stiges Verhör bei der Sicherheitspolizei, Teilnahme bei einer wichtigen Besprechung über religiöse Angelegenheiten, Zeu­genaussagen über irgend ein unwichtiges Ereignis usw. Kleider und Wäsche brauchte man nicht mitzunehmen, meinten sie, höchstens Lebensmittel für einen Tag. Ausnahmsweise sagten aber einige wohlwollende Beamte vertraulich:« Packen Sie Kleider und Wäsche ein, denn sie kommen so schnell nicht zurück.» Manchmal betonten sehr gehässige Polizisten:<< Sie dürfen nur die Zahnbürste einstecken.» In den meisten Pfarr­wohnungen erfolgten oberflächliche Haussuchungen, in eini­gen wenigen jedoch sehr gründliche. Das Verhör war meistens kurz und höflich. Es gab aber auch langatmige und grobkör­nige Ausfragungen. Ein Pfarrer, der gerade sein Fahrrad re­parierte, musste ohne Soutane und ohne irgend Gepäck in seinem sogenannten« Speckmantel»( schäbiger Ueberwurf) so­fort in das Auto einsteigen.

Die Geistlichen wurden in drei verschiedene Zentren ge­bracht. Im Hof des Schlosses Bertrange fanden sich 14 Prie­