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rückwärts schauten, schmuggelte er zahlreiche Briefe hinein. Einer der Beamten fand in zwei Kisten eine grössere Anzahl französischer Wertpapiere mit den Couponsscheinen, die zwischen den Kleidern versteckt waren. Der Mann schaute sich besonders die Zinsscheine an und fragte uns, was das denn sei. Kaltblütig lautete die Antwort:« So eine Art alter Freimarken. Die Kollegen sind wohl Sammler. Lassen Sie ihnen doch das wertlose Zeug und gönnen Sie ihnen das bisschen Pläsir. Sie haben ja schon des Leids übergenug.>> Der in Geldsachen unerfahrene Mann knurrte:« Meinetwegen!>> Da hatten wir wieder Glück. Wie hart wären die Angehörigen bestraft worden, weil sie diese Wertpapiere nicht abgegeben und obendrein noch Devisenschiebung betrieben hatten. Die Dummheit mancher Gestapobeamten ist uns nicht selten zum rettenden Blitzableiter geworden.

Tags drauf hängte man den Waggon an den Personenzug und ich fuhr mit nach Nancy . Auf die Anweisung des Gesta­pobeamten, der mich begleitete, sollte der Waggon erst am Montag geöffnet werden. In Nancy stieg ich im Kloster der Jesuiten ab und traf dort einige ausgewiesene Kollegen. Wir beschlossen nun, während der Nacht die Kisten ins Kloster bringen zu lassen. Der Bahnhofsvorsteher flüsterte mir aber ins Ohr, dass die geheime Feldgendarmerie den Waggon abge­sperrt und beschlagnahmt habe. Das war mir sehr peinlich. Wenn eine neue gründliche Untersuchung vorgenommen würde oder gar alles der Beschlagnahme anheimfiele, wird man die eingeschmuggelten Briefe und die Wertpapiere fin­den, vielleicht auch die vielen Tausend Franken, die in Sou­tanen eingenäht oder in Schuhabsätzen versteckt waren. Die Angehörigen hatten mir das Versteck angegeben, das ich den Besitzern zeigen wollte. In Dieuze waren Briefe für alle Aus­gewiesenen vorbereitet worden, die ich noch Samstags bei der Post abgab. Meine Kollegen wurden darin aufgefordert, im Laufe der kommenden Woche ihre Sachen abzuholen.

Während ich am Sonntag gegen sieben Uhr die hl. Messe las, kam ein Klosterdiener zum Altar und bat mich, gleich nach der Messe zu einem Auto zu kommen, das vor der Türe auf mich warte.« Verhaftet!» zuckte es mir durch das Gehirn. Wahrscheinlich hatte man den Waggon geöffnet und die Schmuggelwaren gefunden. Sorgenvoll schlich ich zum Auto. Zwei Gestapobeamte brachten mich ohne irgendwelche Auf­klärungen nach Dieuze zurück. Ich solle die Stadt nicht ver­lassen, bis weitere Befehle aus Metz einliefen. Ich verbrachte ein paar bange Tage und musste immer wieder an die Briefe und an das Geld in dem beschlagnahmten Waggon denken. Erst am Samstag lief eine telegraphische Anordnung ein, ich solle nach Nacy fahren. Dort angekommen, fiel mir ein schwe­rer Stein vom Herzen. Tags zuvor waren die Kisten ohne neue Kontrolle abgeladen worden. Ich wollte nun 14 Tage bei den Kollegen bleiben, wurde aber schon am Montag morgen zum Bahnhof von Nancy gerufen. Mit gewohnter Gestapofreund­lichkeit erhielt ich den Befehl, sofort nach Metz zu fahren und bei Dunkern vorzusprechen. Dort erhielt ich den Auftrag, abbé Willem zu verhören, in dessen Pfarrhaus Wein gestohlen wor­