18.

bett selbst verrichten. Gerade die christliche Mutter muss jetzt, mehr als früher, Priesterin in der Familie sein. Lasset euch darob nicht niederdrücken... Ja keine gegenseitige Verhetzungen, keine Rachegelüste. Wir Priester küssen die Hand desjenigen, der uns schlägt. Jesu Wort ist uns heilig: Tuet Gutes denen, die euch hassen.. Schluss. Der liebe Heiland möge mir verzeihen, wenn ich die Worte des heuti­gen Evangeliums etwas umstelle. Jesus weinte über Jerusa­ lem . Auch ich weine über Lothringen . Armes Lothringen ! Was musst du alles erdulden in diesem Krieg. Dörfer liegen in Trümmern. Lothringens Einwohner wandern auf Gottes weiter Erde, fern der lieben Heimat, fremd umher. Unsere lie­ben Bitscherländer haben schier alles verloren. Doch wir wollen nicht den Tadel verdienen, den Jesus über Jerusalem ausgesprochen hat, obwohl wir keine Heiligen sind. Wir wollen ausnahmslos die harte Prüfung bestehen. Im deutsch­sprechenden und im französischsprechenden Lothringen herrscht die Devise: Lorrains et catholiques toujours. Wir bleiben immer echte Lothringer und gute Katholiken.

Wegen dieser Predigt erwartete ich ein paar Tage lang auch meine Ausweisung. Man wagte aber keine neue Aufre­gung im Volk, denn die Verbitterung gegen die Nazi hatte wegen der Priesterausweisungen überall in Lothringen den Höhepunkt erreicht.

Nun setzte ich mich mit den Angehörigen aller Verbann­ten in Verbindung. Da manch Vertrauliches mitzuteilen war, lud ich sie ein, an bestimmten Tagen im Sekretariat des Bis­tums oder in den Pfarrhäusern von Rech oder Dieuze vorzu­sprechen. Hier wurde ihnen dann anbefohlen, Wäsche, Kleider und Bücher als Eilgut nach Dieuze zu schicken, Briefe und Geldbeträge aber mir persönlich auszuhändigen. Nach zwei Wochen waren über hundert Kisten in Dieuze angelangt. Dunkern wurde telegraphisch benachrichtigt, alles sei zum Abtransport bereit. Die Zollbeamten verweigerten aber das Absenden der Kisten, während die Bahnbehörde einen Wag­gon zur Verfügung stellte. Freitags kamen zwei Gestapo­beamte zu mir. Sie hatten den Auftrag, in meiner Gegenwart und in Gegenwart eines Kaplans alle Kisten zu öffnen und eine genaue Kontrolle vorzunehmen. Sie sagten uns, dass Samstags der Waggon dem Personenzug, der nach Nancy fährt, angehängt werde und dass ich in Begleitung eines Geheimpolizisten nach Nancy mitfahren müsse. Die Zollbe­hörde habe überhaupt nichts hineinzuschwätzen. Die Gestapo war halt allmächtig.

Kaplan Neu und ich begaben uns mit den zwei Agenten zum Bahnhof. Sämtliche Kisten mussten geöffnet werden. Während einiger Stunden zogen die Beamten einen Gegen­stand nach dem andern aus den Kisten und suchten beson­ders nach Briefen und nach Geld. Zwei Schreibmaschinen, Photoapparate und Tabak wurden beschlagnahmt. Auf mei­nen Protest hin, konnten die Angehörigen diese Gegenstände wieder erhalten. Eine Schreibmaschine ist aber später nach meiner Verhaftung von der Gestapo gestohlen worden. Abbé Neu nagelte die Kisten wieder zu. Da die Kontrolleure nie