Musil blickte starr das Gittertor an, als ob er noch immer Radas Rücken sähe. Vor fünf Minuten war Rada abge­holt worden. Es genügte den Nazis nicht, ihn hinzurich­ten. Sie zwangen ihn, zuzusehen, wie seine Frau hinge­richtet wurde. Sie hatten ihn auf den Hof geführt. In diesem Augenblick oder in den nächsten Minuten wurde seine Frau hingerichtet. Sie hatten ihn gefesselt hinaus­geführt. Er war stumm gegangen. Er hatte mit keinem Laut verraten, wie ihm ums Herz war. Nur sein Rücken hatte gebebt, als er durch das Gittertor gegangen war. Musil wandte den Blick nicht von dem Gittertor. Er dachte: Gleich wird er das Schwerste überstanden ha­ben. Die Hinrichtung um zwölf Uhr ist nicht mehr so

arg.

Auch Fobich blickte das Gittertor an, aber er dachte nicht an die Qual, die Rada in diesem Augenblick er­dulden mußte. Fobich dachte an seine Frau, die in den letzten Tagen ihre Ehescheidung erwirkt hatte. Er war kein guter Ehemann gewesen, er hatte sich nie viel um sie gekümmert, er hatte sie immer betrogen, aber sie hatte es ihm nie vorgeworfen. Sie hatte ihm nie ge­zeigt, daß sie verletzt war. Aber jetzt, nach seiner Ver­haftung, hatte sie ihn nur einmal besucht, um ihm mit­zuteilen, daß sie sich scheiden lasse. Er hatte nichts da­gegen einzuwenden. Es war ihm ganz recht. Es kränkte ihn nicht.

Aber es kränkte ihn, daß er nicht auf der Bank neben den andern Verurteilten sitzen durfte. Keiner wollte ne­ben ihm sitzen. Er hatte sich an die rechte Ecke der lan­gen Bank gesetzt, da war der Mann, neben den er sich gesetzt hatte, aufgestanden. Dann war der nächste Mann aufgestanden, der auch nicht neben Fobich sitzen wollte. Einer nach dem andern, alle waren aufgestanden, so

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