Gelegenheit, deutsche Truppen auf der Fahrt an die Front zu vernichten, nicht wahrnehmen wollen. Er hatte sich gesagt: Ich betrachte es als meine Pflicht, möglichst viele deutsche Tanks, Geschütze und Waffen aller Art unschädlich zu machen, aber die deutschen Soldaten, die an die Front geschickt werden, sollen nicht durch mich, sondern auf dem Schlachtfeld umkommen. Ich bin nicht der Mann, der kaltblütig mit einem Federstrich tausend Menschen umbringt, mit einer Ziffer, die ich meinen Mitkämpfern in die Hände spiele. Nach der Ausrottung des Dorfes Lidice änderte Rada seinen Sinn. Er entschloß sich, die mit deutschen Soldaten beladenen Züge nicht länger zu verschonen.
Es war ein Entschluß, den er nie gefaßt hätte, wenn er nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, daß es seine Pflicht sei, die Opfer von Lidice zu rächen. Es war die Pflicht jedes Menschen, vor allem aber die Pflicht jedes Tschechen; Rada sah es ein. Er sah ein, daß er sich zu einer Tat entschließen mußte, die er verabscheute, weil jedes Menschenleben ihm immer heilig gewesen war. Er sah ein, daß er sich zu dieser Tat entschließen mußte, weil es notwendig war, den Weltzustand wiederherzustellen, der auf der Heiligkeit des Menschenlebens aufgebaut war.
Er zögerte nicht. Als in der zweiten Woche nach der Ausrottung des Dorfes Lidice ein größerer Truppentransport in der Abteilung III angemeldet wurde, ging er zu Musil. Da seit dem Attentat auf Heydrich das Standrecht über Prag verhängt war, konnte er nicht nach dem Dienst zu Musil gehen. Er mußte in der kurzen Mittagspause zu Musil fahren. Er mußte sich über alle Gebote der Vorsicht hinwegsetzen, weil er nur fünf Minuten lang bei Musil bleiben konnte. Rada beschrieb
148


