trag erlitt eine Verzögerung. Dem ruhig, bedächtig ar­beitenden Rada unterlief kein Irrtum. Seine Berechnun­gen stimmten immer, auf seine Auskünfte und Schrift­stücke konnte Fobich sich verlassen. Selbst Fräulein Puhl, die Radas bedächtige Pedanterie in deutschen Kollegen­kreisen ironisch zu schildern pflegte, mußte zugeben, daß er ein musterhafter Beamter war.

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Auch daheim war er ruhig und bedächtig. Er ließ Marie abends oft lange warten, weil das Amt ihn aufhielt, aber er war nie zu müde und abgespannt, selbst zu vorge­rückter Nachtstunde nach vierzehn-, ja sogar sechzehn­stündigem Dienst ein Gespräch mit ihr zu führen, das gewöhnlich häusliche Angelegenheiten betraf, oft aber auch die großen Ereignisse berührte, von denen die Welt voll war. Er besprach mit Marie die steigenden Le­bensmittelpreise und die Kriegslage, die Filmprogramme der Woche nach wie vor besuchte das Ehepaar an je­dem Sonntag ein Kino- und die Sorgen einer Nach­barin. Nur von seinem Sabotagewerk und von seinem Sohn sprach Rada nicht mit Marie. Seit dem Tag, an dem er ihr anvertraut hatte, daß er den Kampf der unter­irdischen Organisation unterstützen werde, hatte er zu Hause nie mehr diesen Entschluß und dessen Auswir­kungen erwähnt. Wenn er zu später Nachtstunde nach Hause kam, sagte er: ,, Bis jetzt hab ich im Amt gear­beitet." Marie vermutete manchmal, daß er nicht aus dem Amt heimkehrte, sondern halsbrecherische Wege ging, die vielleicht zum Galgen führten. Da er aber sein Geheimnis wahrte, unterließ sie jede Frage Sie wußte, daß er schwieg, weil er ihr Leben nicht erschweren, ihre Sorgen nicht vergrößern wollte. Er hingegen wußte nicht, daß dieses schonungsvolle Schweigen Maries Unruhe nicht beschwichtigte. Oft war sie entschlossen, ihn zu

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