Rada klopfte an die Tür des Amtszimmers. Niemand mel­dete sich. Er öffnete die Tür. Er trat an Fobichs Schreib­tisch. Er erblickte einen Zettel. Auf dem Zettel war die Zahl 36 aufgeschrieben, sonst nichts.

Rada wußte: 36 Waggons.

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Rada schien zu vergessen, daß er sein Leben aufs Spiel setzte. Er schien auch vergessen zu haben, daß sein Sohn verschollen und wahrscheinlich tot war. Ruhig und bedächtig ging der stille, schweigsame Mann seinem Be­ruf nach. Jeden Morgen ging er langsamen Schritts in sein Amt, das ihm eine ungewöhnliche Arbeitslast auf­bürdete. Er bewältigte jeden Tag ruhig, ohne Hast die oft sehr schwierigen Aufgaben, die ihm zugewiesen wur­den. Der Sektionschef war mit ihm zufrieden. Fobichs Urteil über Rada lautete: ,, Ein typischer Subalterner, aber eine tüchtige, verläßliche Arbeitskraft." Zuweilen, an stürmischen Tagen, wenn große Truppentransporte angemeldet waren und es sehr schwierig schien, den überlasteten Verkehr zu regeln- der Mangel an Loko­motiven machte sich von Monat zu Monat peinlicher gel­tend, wurde Fobich bei dem Anblick seines subalter­nen Mitarbeiters, den er gern ,, seine rechte Hand" zu nennen pflegte, ein wenig ungeduldig. Das langsame, bedächtige Arbeitstempo Radas schien den Anforderun­gen des Amtes Hohn zu sprechen. Aber selbst an sol­chen bewegten Tagen bewältigte Rada sein Arbeitspen­sum. Er wurde manchmal spät fertig, nicht selten erst nach Mitternacht, aber er wurde fertig. Kein Aktenstück blieb unerledigt, keine Anfrage unbeantwortet, kein Auf­

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