legt, daß er dem Schreibtisch des Sektionschefs die Ge­heimnisse entreißen müsse. Abend für Abend hatte der nach allen Seiten Spähende, nachdem Fobich und Fräu­lein Puhl das Amt verlassen hatten, den Schreibtisch des Sektionschefs belauert; Abend für Abend war es un­möglich gewesen, die Suche zu beginnen. Einmal hatte der Leutnant Bethge, den er vor zwei Jahren in Fobichs Wohnung kennengelernt hatte, plötzlich das Arbeits­zimmer betreten; einmal hatte ein deutscher Beamter, der ein Gestapospitzel war, die Tür leise geöffnet, um gleich wieder zu verschwinden; einige Male war eine Frau gekommen, um den Fußboden oder die Fenster zu reinigen; vermutlich war auch sie eine Beamtin der Ge­ stapo . An diesen Abenden hatte Rada noch nicht erwar­tet, einen Erfolg zu erzielen. Er hatte nur erproben wol­len, ob einer seiner Schlüssel zufällig Fobichs Schreib­tisch öffnen würde, was sehr unwahrscheinlich war. Er hatte sich vorgenommen, erst nach diesem Experiment Havelka oder Novák aufzusuchen, um bei ihnen Rat und Instruktionen einzuholen. Denn wenn der Schreibtisch mit Hilfe komplizierter Werkzeuge geöffnet werden mußte, war er nicht imstande, ohne fremde Hilfe ans Werk zu gehen. Er war ein unpraktischer, ungeschickter Mensch. Noch vor kurzer Zeit hätte er sich lieber um­gebracht, ehe er sich mit dem Gedanken befreundet hätte, daß er, Josef Rada, wie ein Einbrecher einen frem­den Schreibtisch belauern und heimlich öffnen solle. Noch vor kurzer Zeit hätte er jeden Menschen für verrückt gehalten, der ihm, Josef Rada, ein solches Verbrechen zugemutet hätte. Über Nacht war er ein anderer gewor­den. Er hatte alle derartigen Bedenken unterdrückt. Er hatte viel größere Bedenken unterdrückt; die kleineren, bürgerlichen, von seinem immer regen Sinn für Recht

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