zurückscheute. Edmund wollte diese Rücksicht nicht, er verachtete sie. Sie war verächtlich, wenn er tot war; sie war ebenso verächtlich, wenn er am Leben war. Die Hingerichteten, deren Namen jeden Tag in der Zeitung veröffentlicht wurden, riefen es Rada zu. Sie riefen es ihm mit Edmunds Stimme zu, sie alle waren Edmund. Mancher, dessen Name in der Liste der Hingerichteten stand, hieß Edmund, und beim Lesen dieses Namens fühlte Rada einen unsagbaren Schauer; aber auch jeder Antonin und Josef und Vladimir, und nicht nur jeder Mann, auch jede Frau, deren Name in der Liste der Hingerichteten stand, sie alle waren Edmund, sie alle mahnten den Erschauernden mit Edmunds Stimme: Tue deine Pflicht!

In den letzten Tagen, in den blutigen Tagen des Mas- senmords, die nach Heydrichs Ankunft angebrochen wa- ren, hatte Rada wie eh und je seine Amtspflicht erfüllt. Er hatte die Abfertigungstermine der auf den Haupt- strecken und auf einigen Nebenstrecken eingeschobenen Züge ausgerechnet. Sein Arbeitsfeld hatte sich seit sei- ner Versetzung in die Abteilung Ill nicht erweitert. Lang- sam und schwerfällig hatte er in den letzten Tagen über- legt, ob und wie er der Pflicht, zu der er sich aufgeru- fen fühlte, genügen könne. Er war zu dem Schluß ge- kommen, daß er zunächst den Geheimnissen. der Abtei- lung Ill nachspüren müsse. Er hatte sich entschlossen, in den geheimnisvollen Apparat der Abteilung III mit List und Gewalt einzugreifen. Er hatte sich entschlossen, in Erfahrung zu bringen, welche Züge es waren, deren Abfertigungstermine er festsetzte. Es war wichtig, zu wissen, welche Züge Kriegsmaterial enthielten, welche Züge Mannschaften an die Front brachten und welche Züge nur dem Zivil-Güterverkehr dienten. Er hatte über-

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