die ihr Leben opferten, um das Ende der Tyrannei zu beschleunigen, die Frauen und Kinder der Hingerichteten und viele andere unschuldige Opfer. Rada las jeden Tag die Namen der Ermordeten. Während er diese Namen las, bekannte und unbekannte, fühlte er Edmunds Nähe. Er vernahm eine mahnende Stimme. Es war Edmunds sanfte, bescheidene Stimme, die Rada mahnte. Edmunds Stimme mahnte: Du tust deine Pflicht nicht, Vater. Warum tust du deine Pflicht nicht? Du liebst mich schlecht, wennn du deine Pflicht nicht tust.
Von dieser Mahnung wurde Rada im Wachen und im Schlaf verfolgt. Langsam, schwerfällig begriff er, daß das Wunder, das er seit Edmunds Verschwinden erwartet hatte, geschehen war. Edmund war zurückgekehrt, Edmunds Stimme war wieder hörbar. Sie verriet nicht, ob sie einem Lebenden oder einem Toten zugehöre, aber sie verriet mehr: Es kam nicht darauf an, ob es die Stimme eines Lebenden oder die Stimme eines Toten war. Es kam nicht darauf an, ob Edmund noch lebte. Mit schrecklicher Gewalt, wie ein Messer, durchfuhr Rada diese Erkenntnis. Sie ergriff von ihm Besitz. Er erkannte seine Pflicht. Es war eine Pflicht, die mit den Pflichten, die er jahrzehntelang getragen hatte, nicht vergleichbar war. Er hatte geglaubt, die Sorge um das Wohlergehen seiner Familie und die gewissenhafte Berufsausübung seien seine höchsten Pflichten. Die Erfüllung dieser Pflichten war der Inhalt seines Lebens gewesen. Jetzt erkannte er, daß diese Pflichten, die ihm eine schwere und geliebte Last gewesen waren, nicht länger der Inhalt seines Lebens sein dürften. Er mußte sie abwerfen, um eine schwerere Pflicht auf sich zu nehmen. Er durfte nicht länger zusehen, wie die andern sich opferten, während er Edmunds wegen vor jedem Opfer
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