Rada dachte an die strahlenden, kühnen Augen, die Jarmila vor ihrer Verschleppung gehabt hatte. Dann dachte er aber nicht mehr an das Mädchen, sondern an Edmund.

Er sagte: ,, Vielleicht entläßt man auch ihn. Er ist nicht älter als sie. Wenn man alle Neunzehnjährigen entläßt, wird man auch ihn entlassen."

Sie besprachen, daß Jarmila bei ihnen bleiben solle. Sie hatte keine Mutter, keine Verwandten in Prag . Ihr Vater war im Ausland. Das Studentinnenheim war beschlag­nahmt worden. Es gab kein tschechisches Studentenheim mehr. Es gab keine tschechische Hochschule mehr. Die Deutschen hatten nach dem 28. Oktober alle tschechi­schen Hochschulen geschlossen.

In der Nacht schrie Jarmila. Sie schrie auf wie ein Mensch, der den entschlossenen Blick eines Mörders entdeckt. ,, Geh hinein", sagte Rada ,,, beruhige sie. Bleib bei ihr, wenn sie sich fürchtet."

Marie ging zu dem Mädchen. Jarmila schlief. Sie hatte im Schlaf geschrien. Marie verließ leise das Zimmer, kehrte in ihr Bett zurück und sagte: ,, Sie schläft."

Am nächsten Tag besuchte Jarmila einen Freund ihres Vaters. Sie fand einen Brief ihres Vaters vor. Er war in Frankreich . Es ging ihm gut. Das war eine Botschaft, die sie aufrichtete.

Sie schlief nur noch eine Nacht in Radas Wohnung. Die Gestapo erlaubte ihr nicht, länger als achtundvierzig Stunden in Prag zu bleiben. Sie erhielt den Befehl, auf einem Gut in der Nähe Prags zu arbeiten. Vor dem Ab­schied sagte sie zu Rada: ,, Er wird zurückkommen und stärker sein als vorher. Wer das überstanden hat, den bringt nichts mehr um."

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