nach Prag , weil es den Häftlingen der Konzentrations­lager nicht gestattet war, mit andern Häftlingen zu kor­respondieren.

Rada und Marie warteten. Da Jarmila wieder geschrie­ben hatte, war auch Edmunds zweiter Brief fällig. Aber es kam kein Brief. Rada schrieb noch einmal nach Da­ chau ; er fragte Edmund, warum er nicht mehr geschrie­ben habe. Es kam keine Antwort. Auch Jarmila schrieb nicht mehr. Aber einen Monat später, am 3. Februar, als Rada und Marie nach dem Nachtmahl bei Tische saßen, läutete es, und als Marie die Wohnungstür öffnete, stand Jarmila vor ihr.

Ihr Gesicht sah nicht mehr kühn aus. Ihre Augen waren scheu und glanzlos. Sie hatte immer strahlende, kühne Augen gehabt; vielleicht hatten nur die Augen dem Ge­sicht den kühnen Ausdruck verliehen, denn es war eigent­lich ein sanftes, nicht ungewöhnliches Mädchengesicht. Marie ergriff die Hand des Mädchens und führte Jar­mila wie ein kleines Kind oder wie eine Blinde in das Zimmer.

Rada sprang auf und starrte sie an. Sie lief auf ihn zu und umarmte ihn. Sie hatte nie die Empfindung gehabt, daẞ Edmunds Eltern sie liebgewonnen hätten. Sie hatte oft zu Edmund gesagt: ,, Deine Eltern sehn mich nicht gern, sie sind eifersüchtig."

Als sie Rada jetzt um den Hals fiel, war er bewegt wie ein Vater und dachte nicht an seinen Sohn.

,, Setz dich", sagte er. ,, Marie, bring etwas zu essen." Jarmila wollte jedoch nicht essen. Sie wollte nur schla­fen, nur ruhen. Sie erzählte nichts, sie ließ sich erzäh­len. Marie führte die Müde in Edmunds Zimmer. Jar­mila legte sich in Edmunds Bett. Marie verließ das Zim­mer und schloß behutsam die Tür.

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