leiser. Sie war bereits so abgestumpft, daß sie diesen Worten keinen Sinn mehr unterlegte.

Sie erwachte aus ihrer Betäubung. Sie fuhr traumhaft mit der rechten Hand über die staubbedeckte Platte des Tisches, an dem sie saß. Sie stand auf, holte ein Tuch und staubte den Tisch ab. Sie holte den Besen und kehrte das Zimmer. Sie ging in die Küche und reinigte die Tel­ler, die Messer, die Gabeln und die Löffel. Sie ergriff den Eimer und wusch den Fußboden. Sie begann, wie vor Edmunds Verschwinden, unermüdlich zu arbeiten. Sie ar­beitete härter, verbissener als vor Edmunds Verschwin­den. Rada merkte es nicht am ersten Tag. Aber am näch­sten Tag, als er sich in dem wieder pedantisch sauber und rein gewordenen Zimmer umblickte, nickte er Ma­rie zu und sagte: ,, So ist's recht. Wir dürfen die Hoff­nung nicht aufgeben."

In der dritten Woche nach Edmunds Verschwinden kam eines Abends ein Student, der mit allen andern ver­schwunden war, in Radas Wohnung. Rada kannte ihn nicht, wußte aber, daß dieser junge Mensch mit Edmund be­freundet war. Vor zwei Wochen hatte Rada die Eltern des Studenten aufgesucht. Sie hatten nicht gewußt, was mit ihrem Sohn geschehen war. Jetzt saß er Rada und Marie gegenüber und erzählte, er habe manchmal im Wald, manchmal in einem Bauernhaus geschlafen. Er sagte, daß er versuchen wolle, über die Grenze zu gehen und nach Frankreich zu gelangen, aber einstweilen sei die Grenze so scharf bewacht, daß ein Fluchtversuch aus­sichtslos wäre; hoffentlich werde es den Deutschen nicht möglich sein, dauernd alle Grenzen so scharf zu bewa­chen. Rada blickte dem jungen Menschen in die Augen und fragte: ,, Haben Sie mir etwas zu bestellen? Was ist mit Edmund geschehn? Haben Sie nichts über ihn ge­

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