Rada ging zu den Freunden und Kollegen seines Sohns, deren Namen und Adressen er ausfindig machte. Die meisten waren verschwunden, verschollen. Die wenigen, die nicht verschwunden waren, wußten nicht, daß Ed­mund verschwunden war. In einem amtlichen Bericht, der in allen Zeitungen erschien, wurde gemeldet, daß eine größere Anzahl tschechischer Studenten am 17. Novem­ber in den Artilleriebaracken in Ruzýň ,, wegen revolu̟­tionärer Umtriebe" hingerichtet worden sei. In dem Be­richt wurde nicht erwähnt, daß viele Studenten vor und nach diesen Hinrichtungen ermordet worden waren. Die Namen der Hingerichteten und der Ermordeten wurden geheimgehalten, um die Angehörigen aller festgenom­menen Studenten in Furcht und Schrecken zu halten. Nach neun Tagen erkannte Rada, daß alle Versuche, etwas über seinen Sohn zu erfahren, nutzlos waren. Er hatte in diesen neun Tagen noch weniger als in ruhigen Zeiten gesprochen. Er hatte viele Häuser betreten; beim Betreten jedes Hauses hatte er gesagt: ,, Ich weiß nicht, wo mein Sohn ist." Er hatte in keinem dieser Häuser- fast jedes Haus war ein Trauerhaus dem einen Satz viel hinzugefügt. Er hatte auch mit Marie nicht viel ge­sprochen. Sie, die immer rastlos gearbeitet hatte, hörte nach dem Verschwinden ihres Sohnes zu arbeiten auf. Sie bereitete Rada das Frühstück, sie stellte abends einen Teller mit Wurst oder kaltem Schinken auf den Tisch, aber sie ließ alle Arbeiten ungetan. Die Wohnung, die sie jahrzehntelang jeden Tag mit großer Sorgfalt auf­geräumt und gesäubert hatte, sah jetzt verwahrlost aus. Staub setzte sich auf allen Möbeln fest. Auf dem Kü­chentisch waren schmutzige Teller mit Speiseresten ge­türmt. Wenn Rada in der Nacht, nach seinen Wanderun­gen von Stadtteil zu Stadtteil, nach Hause kam, saẞ Ma­

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