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gegen neun das Zimmer mit dem Gruß: ,, Heil Hitler !" Rada, der wie in der Tarifabteilung- zwei Minuten vor acht zu arbeiten begann, erwiderte den verhaßten Gruß an manchen Tagen mit den Worten: ,, Guten Morgen, Fräu­lein!" An manchen Tagen erwiderte er den Gruß nicht, son­dern beugte sich tiefer über seine Akten und spiegelte vor, nichts zu sehen und nichts zu hören. An manchen Tagen beantwortete er die dienstlichen Fragen Fräulein Puhls

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sie stellte jeden Tag Dutzende von Fragen an ihn, da sie der tschechischen Sprache nicht mächtig war und deshalb ohne Unterlaß auf Hindernisse stieß- korrekt und höflich. An manchen Tagen stellte er sich taub. Er tat es nicht, um die Stenotypistin zu ärgern, er tat es aus Angst, die Geduld und die Selbstbeherrschung zu ver­lieren. Er fürchtete, daß er einmal, statt eine korrekte und höfliche Antwort zu geben, etwas Furchtbares sagen, nein, brüllen, herausschreien werde, ein Wort, das ihn verraten, ihn und seine Familie ins Verderben stürzen könnte. Deshalb schwieg er manchmal beharrlich und ließ alle Fragen Fräulein Puhls unbeantwortet. Vorsorglich hatte er ihr gleich am ersten Tag gesagt: ,, Ich höre schlecht, Fräulein." Da sie aber bald merkte, daß er manchmal nicht hören wollte, beklagte sie sich bei dem Sektions­chef über Radas Unhöflichkeit. Fobich antwortete: ,, Sie dürfen es ihm nicht übelnehmen; er ist ein Sonderling. Ein hochanständiger, verläßlicher Mensch, aber ein Son­derling. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit."

Rada hatte angenommen, daß er, da Fobich von einer Vertrauensstellung gesprochen hatte, Geheimakten zu bearbeiten haben werde: Korrespondenzen mit den deut­schen Militärbehörden hatten ihm unheilvoll vorge­schwebt, gefährliche Protokolle, undurchsichtige Aktio­nen. Mit derartigen Arbeiten wurde Rada jedoch nicht

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