sei gewiß ein Mensch, der viel verspreche, aber kein Versprechen halte. ,, Mag sein", sagte Rada. Aber vor Ab­lauf eines halben Jahres wurde er amtlich verständigt, daß er nach Prag in die Tarifabteilung des Eisenbahn­ministeriums versetzt worden sei und seinen neuen Dienst sofort anzutreten habe.

Gleich nach seinem Dienstantritt in Prag wurde er mit Marie in Fobichs Wohnung eingeladen. Fobichs Frau, eine große, stattliche Deutsche, die ein sehr mangelhaf­tes Tschechisch sprach, erzählte den Besuchern, ihr Mann habe oft von seinem Lebensretter gesprochen. Fobich sagte lächelnd: ,, Hörst du? Meine Frau lügt nie. Ihr kannst du glauben." Er sprach die Hoffnung aus, daß er von nun an die Familie Rada öfter in seinem Hause sehen werde und forderte das Ehepaar auf, nächstens den Sohn mitzubringen. Nach dem zweiten Besuch, den die Familie Rada dem hohen Beamten abstattete, er­folgte keine Einladung mehr. Fobich kam aber von Zeit zu Zeit in die Tarifabteilung, blieb jedesmal vor Radas Schreibtisch stehen und fragte den einsilbigen Jugend­gefährten, wie es ihm und dem ,, Herrn Sohn" gehe. Nach dem Auftreten Fobichs in der Versammlung er­wartete Rada, daß seine Kollegen ihn fragen würden, welche Rolle der Ministerialrat unter dem Regime der deutschen Eindringlinge spiele. Havelka und Beran schwie­gen jedoch und beugten sich über ihre Akten, obwohl es augenfällig war, daß sie, erbittert und wutbebend, sich nicht mit ihren Ziffern und Tabellen zu befassen vermochten. Havelka verriet deutlich seinen Zorn, in­dem er ein Bündel wohlgeordneter Aktenstücke, die er gestern numeriert und mit pedantischer Sorgfalt drei­fach verschnürt hatte, zu Boden schleuderte. Auch der alte Beran schien sich in einem außerordentlichen Zu­

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