ein hübscher, hoch aufgeschossener Junge, um einen Kopf größer als der Vater, um zwei Köpfe größer als die Mutter. Niemand hatte bezweifelt, daß er ein tüchtiger, erfolgreicher Arzt werden würde. Und jetzt war plötzlich alles unsicher. Es war plötzlich nicht mehr möglich, sich vorzustellen, was in drei oder in vier Jahren sein würde. Es war nicht einmal möglich, sich vorzustellen, was am morgigen Tag geschehen werde. ,, Wenn wir ruhig bleiben, werden wir über alle Gefahren hinwegkommen", sagte Rada, die Stille unterbrechend.
Er sagte es, um sich und den andern Mut zu machen. Nie hatte er klarer empfunden, daß er für das Wohlergehen seiner Familie verantwortlich sei. Bis zum heutigen Tag hatte er nie an seiner Fähigkeit gezweifelt, die Verantwortung für das Wohlergehen seiner Familie zu tragen. Er hatte diese Verantwortung immer leicht, wenngleich nie leichtfertig und sorglos, getragen; denn sie war ihm eine liebe, geliebte Last gewesen. Ohne diese Last wäre das Leben ihm nicht lebenswert erschienen. Jetzt aber, in dieser Stunde, schien sie ihm unerträglich schwer. Er fühlte sich unsicher und hilflos. Seine Frau und sein Sohn durften aber nicht wissen, daß er sich unsicher und hilflos fühlte und das Schlimmste befürchtete. Sie mußten in dem Glauben bestärkt werden, daß er sogar an diesem furchtbaren Tag wußte, wie man allen drohenden Gefahren zu begegnen habe. Er ging in Edmunds kleinen Arbeits- und Schlafraum, warf einen Blick auf die zwei Regale füllenden Bücher und fragte: ,, Wo hast du deine politischen Bücher, Edmund? Was gefährlich ist, muß verbrannt werden." Edmund antwortete, daß er sie bereits beseitigt habe. ,, Wenn die Ge stapo kommt bei mir findet sie nichts", sagte er. Rada
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