Rada. Der neunzehnjährige Sohn gehorchte, verschlang ein paar Brocken und stellte sich wieder ans Fenster. ,, Was ist draußen zu sehn?" fragte Rada. Edmund ant­wortete nicht. ,, Du kannst nicht auf die Straße, heute muß man zu Hause bleiben, die Gestapo würde dich anhalten", sagte Rada. ,, Ich weiß", sagte Edmund, setzte sich auf seinen Platz und fragte: ,, Was meinst du, Va­ter? Was wird geschehen?"

Rada runzelte die Stirn. Er wußte nicht, was er antwor­ten sollte. Die Frau fragte: ,, Was wird aus uns wer­den?" Der Sohn fragte: ,, Was wird geschehn?" Rada wußte es nicht. Es war kein Trost, daß auch Klügere, Gewitztere es nicht wußten. Er trank das Bier aus und sagte: ,, Wir müssen ruhig sein, das ist die Hauptsache. Wenn man ruhig bleibt, geht alles leichter."

Sein großes, rundes rosiges Gesicht war den ganzen Tag fahl gewesen. Jetzt errötete er. Seine Wangen wur­den dunkelrot. Er errötete, weil er der Frau und dem Sohn nahelegte, ruhig zu sein. Er war nicht ruhig, er täuschte die Ruhe vor, die er den anderen gebot. Er war verstört. Es war insbesondere der Anblick seines Sohns, der ihn verstörte. Edmund war Hörer der medi­zinischen Fakultät der Karls- Universität . Seit zwölf Jah­ren hatte Rada Monat für Monat zwanzig Kronen in die Sparkasse getragen. Mehr hatte er von seinem kleinen Gehalt nicht erübrigen können. Dieses ersparte Geld sollte Edmund das Hochschulstudium ermöglichen; so war es seit zwölf Jahren geplant gewesen. Alles war gut gegangen. Edmund war immer ein guter Schüler ge­wesen, er hatte zur rechten Zeit seine Vorliebe für die Medizin entdeckt, er studierte gern, es hatte bis zum heutigen Tag als sicher gegolten, daß er als Dreiund­zwanzigjähriger Doktor der Medizin sein werde. Er war

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