gaß, daß er langsam und vorsichtig zu gehen gewöhnt war. Trotzdem kam er wegen der Verkehrsstockungen erst nach einer Stunde heim,

Das Haus war still ,,, wie ausgestorben". Es war ein gro­Bes, von vierzehn Familien bewohntes Haus. Zu dieser Stunde begegnete er in der Regel heimkehrenden Müt­tern und ihren Kindern, die auf der Treppe spielten, brüllten, lachten, weinten. Heute waren die Mütter mit ihren Kindern zu Hause geblieben.

Auch seine Frau und sein Sohn waren zu Hause. Sie liefen dem Eintretenden entgegen. Er sah, daß Marie geweint hatte; unter ihren rastlosen flinken braunen Augen war auf der Wange ein feuchter Schimmer. Wann hatte Marie zuletzt geweint? Seines Wissens vor zwan­zig Jahren. Im Juli 1919, als er nach fünfjähriger Ab­wesenheit als Legionär aus Rußland zurückgekehrt war, hatte sie geweint. Am nächsten Tag hatte sie ihm ge­standen, daß sie wegen seines Aussehens geweint habe. ,, Weil du so mager geworden bist", hatte sie gestam­melt. Kurz nach seiner Heimkehr waren ihre Eltern von der Grippe hingerafft worden; damals hatte er keine Träne in Maries Augen entdeckt. Sie haßte es, heftige Gemütsbewegungen zu verraten. Vor einem halben Jahr, nach der Münchner Tragödie, hatte sie sich kaum eine Stunde lang von ihrer hausfraulichen Arbeit entfernt. Heute schien sie die Fassung verloren zu haben. Sie starrte den heimkehrenden Mann an und fragte: ,, Was wird jetzt aus uns werden?"

Vor seinem Platz auf dem Eẞtisch stand das Glas Bier, das er jeden Abend trank. Er beobachtete besorgt das fahrige Gehaben seines Sohnes, der während des Essens aufstand, sich ans Fenster stellte, zum Tisch zurückkehrte und wieder zum Fenster ging. ,, IB, Edmund", sagte

13