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haben, daß er sich in allen Lebenslagen photographieren ließ, was nicht gegen ihn, aber für die anderen spricht. Ein typisches Yankeegesicht mit breiter Nase und tief eingekerbter, wetterfester Lachfalte gibt sich in glattgeschabter Aufgeschlossenheit bereitwillig physiognomischer Neugier preis. Man sieht ihn zu Pferde fechten und mit dem uralten Rockefeller plaudern, was oberflächlicheren Zeitgenossen die Lektüre seiner sämtlichen Werke ersetzen mag. Der Mann ist jedenfalls einen Ausflug wert und auch einen Turm, der ihm, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, ,, von einem Freund und Bewunderer" errichtet wurde. Auch diese Zusammenstellung, die in ihrer lapidaren Einfachheit etwas Mythisches, an entfernte Göttersagen Erinnerndes hat, mag einem Lande vorbehalten sein, in dem Freunde bewundern und Bewunderer für teures Geld musikausströmende Türme bauen.
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Eine Stunde später, auf dem Rückweg ins Hotel, stehen wir vor einer anderen Sehenswürdigkeit Colorado Springs , im , Garten Gottes"( The garden of the Gods) zu Füßen der ,, Küssenden Kamele". Das ist ein hummerroter Walkürenfelsen, der in den enzianblauen Berghimmel ragt und dessen zackige Kante den Umriß zweier sich verdächtig einander nähernder langhalsiger Köpfchen nachzuzeichnen scheint. Die gottlose Bezeichnung ,, Küssende Kamele" ist echt amerikanisch im Pioniergeschmack, und amerikanisch ist es auch, wie die kleine Reisegesellschaft in unserem Auto, die von dem hübschen jungen Chauffeur schmunzelnd durch den Lautsprecher verkündigte Bezeichnung aufnimmt. Die jungen amerikanischen Lehrerinnen, die sich mit uns zugleich belehren lassen, kichern sinnlich, während der aus Mitteleuropa herübergewehte Fahrgast sich elegisch einer Felsenkante seiner entschwundenen Jugend erinnert, die ihm im Vorübergleiten am Traunsee von seinem Vater ehrfürchtig als„, Schlafende Griechin" vorgestellt wurde. Die ,, Schlafende Griechin" und die ,, Küssenden Kamele", das


