NEW YORK UND DER NICKEL

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Ein paar Häuserblocks weiter schwingt sich eine ältliche Dame über denselben Bürgersteig, den sie hier sidewalk nennen und der Straßenbreite hat, in ihr bereitstehendes Auto. Sie ist ungefähr sechzig Jahre alt, schlank und behend wie jene Acht­zehnjährige, und trägt ein winziges Postillonhütchen auf ihren himmelblauen, lieblich gewellten Locken. Und warum nicht himmelblau? Hier sind alle Farben gleichberechtigt und die einzige, über die man sich lustig macht, ist,.purple", aber auch nur im übertragenen Sinne, wenn einer geschwollen redet oder schreibt. Don't speak last lines, sagt oder denkt der amerika­nische Leser. Bei uns drüben war es ein Vorzug. Wir glaubten immer, etwas Endgültiges gesagt zu haben, wenn wir etwas Endgültiges gesagt hatten. Man wird umlernen müssen; es war nicht demokratisch.

Wieder ein paar Straßen weiter üben sich ein paar Halb­wüchsige im Fassadenklettern an einem kleinen Palästchen der Fifth Avenue , das augenblicklich leersteht. Sie kleben mit ihren Fußspitzen und Handflächen wie Fledermäuse an flachen Mauervorsprüngen und arbeiten sich unter Lebensgefahr zu einem Balkönchen im zweiten Stock empor. Niemand stört sie in diesem Vergnügen. Der Torhüter des Nachbarhauses, den ich auf den Unfug aufmerksam mache, schaut mich erstaunt an. Ein Schutzmann ist weit und breit nicht zu entdecken. Wir waren, sehe ich schließlich ein, in unserem alten Polizeistaat, in dem jeder dritte oder jeder fünfte Bürger ein Polizist war, etwas verwöhnt in diesem Punkt. Hier ist der Staat nicht der Vormund. Das Volk ist der Vormund, und die Jugendlichen sind der selbstbewußteste Teil des Volkes. Mögen sie ihre lebensgefährlichen Kletterübungen bis zur Bewußtlosigkeit fortsetzen oder bis ein amerikanischer Vollbürger vorbeikommt, der ihrem jugendlichen Gangstertum ein Ende macht, bevor sie sich das jugendliche Genick brechen.

Es ist ein winzig kleiner Fall von ,, Isolationism", jener aus