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Schilderung hervorginge, die Zustände in Dachau wären nicht ,, too intolerable" gewesen. Der Nachdruck liegt auf dem ,, too". Mit anderen Worten, der gute Mann warf mir vor, daß ich nicht auf der ,, Flucht erschossen" worden war, in welchem Falle ich allerdings, wie man zugeben muß, meinen Bericht kaum mehr hätte zu Papier bringen können. Ein anderer Verleger, der, angeekelt von der ganzen Gattung, wie er nach zahllosen Erfahrungen war, mein Manuskript selber nicht gelesen haben mochte, schickte mir loyalerweise den Bericht des von ihm mit dieser peinlichen Aufgabe betrauten Lektors ein. Diese Lektoren oder ,, Reader", wie sie auf Englisch heißen, waren meist ältere deutsche, das heißt reichsdeutsche ,, Kollegen", Kollegen auch aus dem deutschen Konzentrationslager, und infolge dieser doppelten Kollegialität nicht eben gut zu sprechen auf die österreichischen Flüchtlinge, die sich neuestens wichtig machten mit dem, was sie, die dem Rang nach älteren Opfer der deutschen Menschheitsschande, schon vor Jahren mitgemacht und hinter sich gebracht hatten. Sein Gutachten, das mich in gewissem Sinne noch einmal zum Opfer der für Österreich immer verhängnisvollen ,, deutschen Orientierung" machte, brachte auf eine klassische Art zum Ausdruck, was den Mann beim Durchblättern meines verdrießlichen Elaborats bewegt hatte.„ A few suicides, deaths and atrocities are not sufficient", schrieb er kurz und bündig: ein paar Todesfälle und Selbstmorde genügten nicht, um das Interesse des Lesers zu fesseln- eine vom Menschheitsstandpunkt allerdings etwas merkwürdig bagatellmäßige Auffassung. Emile Zola hat sie nicht geteilt, als er das erlittene Unrecht eines einzigen Offiziers mittleren Ranges in der französischen Armee zum Ausgangspunkt einer weltbewegenden ,, Affaire" machte. Auch Voltaire nicht, als er den Fall Calas aufgriff. Ein anderer dieser meiner Reader, die mir anonym entgegentraten, fand wieder, daß die ,, Climax" meines Buches, nämlich meine Befreiung, den Leser nicht befriedige,


