NEW YORK UND DER NICKEL

287

entgeltlich gesund gepflegt. Doch bestand der ihn behandelnde Doktor darauf, daß er sich eine Woche nach seiner Entlassung noch einmal bei ihm melde. Unser junger Freund tat es und bei dieser Gelegenheit erkundigte sich der Arzt, während er ihn abhorchte, vorsichtig nach seinen Lebensverhältnissen. Dann zapfte er ihm ein paar Tropfen Blut ab, das er für ein Serum benötigte, und gab ihm dafür fünf Dollar. Eine Woche später ruft der fürsorgliche Arzt noch einmal an: ob unser Freund ihm nicht noch einmal ein paar Tropfen Blut für fünf Dollar ab­lassen könnte? Aber ja!" erwidert der Gefragte vergnügt: ,, Auch für sieben!" Er ist heute in einer so glänzend gehobenen Stellung, daß er über diese Schnurre aus seinem Leben füglich lachen kann. Aber vielleicht fällt ihm über dem Lachen ein, daß er immerhin Jahre brauchte, um herauszufinden, auf welchen verwickelten Umwegen ein amerikanischer Arzt zuweilen einen empfindlichen Patienten unterstützt.

.

-

Es ist begreiflich, daß man in der, Cafeteria", diesem Klub der europäischen Flüchtlinge, einander lieber solche Histörchen erzählt, um über den Jammer des Emigrantentums launig hin­wegzukommen. Man lacht über die Ungeschicklichkeiten, die Wunderlichkeiten, die Taktlosigkeiten dieser plötzlich Zu­gereisten, die in ihren fremden Kleidern, mit fremden Gebär­den, und meistens auch noch ihre mitgebrachte Sprache spre­chend, unter den hier Zuständigen umhergehen und Galgen­humor heucheln, auf der Suche nach einem Bissen Brot. Es geschieht das Menschenmögliche, sie über Wasser zu halten, aber welches Land der Welt könnte sich auf die Dauer den Luxus leisten, einen solchen hungrigen Heuschreckenschwarm ungebetener Gäste satt zu füttern, ohne dabei selbst zu ver­armen. Aber selbst wenn es gelingt, einen früheren Advokaten als Geschirrwäscher, einen Sanskritforscher als Elevatorman, einen hitzigen Gewerkschaftsführer als Eisträger vorüber­gehend unterzubringen: das seelische Problem der Emigration