285
dieses Erlebnisses, nämlich die Emigration, heiter außer Betracht läßt. Daß die Auswanderung trotz dem schönen, heiteren Schiff, auf dem wir herüberglitten, eine sehr ernste Sache und der Zustand des Entwurzeltseins ein im Grunde tragischer Zustand ist, merkt man ja nicht in den ersten Tagen, wenn man entzückt die neue Stadt durchwandert.
Daß man es schließlich doch merkt, hat mit Dankbarkeit oder Undankbarkeit dem Gastland gegenüber nichts zu tun. Selbstverständlich ist der Refugié, selbst wenn er erwerbslos hungert oder auf einer Bank im Central Park , von satten Eichkätzchen umhüpft, sein in Papier eingewickeltes Dinner genießt, vergleichsweise immer noch zu beneiden, da er dabei weder erschossen noch vergast wird. Doch bleibt es darum nicht weniger wahr, daß der Heimatlose in den nächsten fünf Jahren eben doch nur ein schiffbrüchiger Emigrant sein wird, ein ,, Mann ohne Schatten", wie sein Kollege Peter Schlemihl in Chamissos schöner Erzählung. Was er nur solange sich verhehlen kann, als er nicht zu Boden blickt. Doch ist es schwer, dauernd nicht zu Boden zu blicken in einem neuen Lande, auf dessen Boden weiterzukommen man trachten muß.
Es ist ein neuer Zustand für ihn, nicht neu für das Gastland. Amerika ist ja aus der Emigration geradezu entstanden, wird dem Schattensucher von allen Seiten tröstlich versichert. Wahr und doch nur halbwahr, weil der Hitler - Emigrant mit keinem seiner Vorgänger zu vergleichen ist. Der Hitler - Emigrant ist der tragischeste aus zwei einleuchtenden Gründen: weil er so zahlreich und weil er meistens so arm ist.
-
Weder der ,, Ci- Devant", wie die Französische Revolution ihre der Guillotine entronnenen Opfer nannte, noch die antiken ,, Graeculi", wie die aus dem politisch erledigten Griechenland entkommenen Kulturträger vom römischen Vollbürger nachsichtig bezeichnet wurden, befanden sich in ähnlich fragwürdiger Lage. Noch waren es die englischen


