252
HITLERS GAST
gen- Zitat erwidert wurde. Dann wurden die Tropfen ohne Tropfenzähler zugemessen und hatte man sie, mußte man, um dem hinter einem Wartenden Platz zu machen, schleunigst ,, abfahren“, das heißt, man durfte den nach Zahnpulver riechenden Kelch erst in der Baracke leeren. Alles, auch das Kleinste, war nach eisernen Gesetzen streng geregelt in Dachau .
Auch die Aufstellung der Sträflinge vor der Spitalsbaracke, das Arzneiglas in der Hand oder den Verband überm Arm, verriet die unerbittliche Ordnungsliebe der Lagerverwaltung. Wir waren in drei Treffen gegliedert. Zuerst kam die blaugrau gestreifte Schar der arischen Gefangenen, die auch auf den Arbeitsplätzen immer vor den anderen aus einer von Mund zu Mund gehenden Gießkanne mit Wasser gelabt wurden. Dann folgten die Zigeuner, die meistens zur Entlausung befohlen waren, und erst nach diesen die Juden. Sie erhielten, im letzten Treffen stehend, ihre Heilmittel erst, wenn die ihnen im Rang übergeordneten Zigeuner mit Laussalbe eingerieben
waren.
An jenem Julinachmittag nun, an dem ich meinen Dachauer Ritterschlag empfing, hatte sich bereits ein rundes Hundert mehr oder weniger munterer Spitalsbrüder zusammengefunden, als ich mich, etwas verspätet, anreihte. Und erst nach einer Weile bemerkte ich meinen ungefähr gleichaltrigen Kameraden und Schlafraumgenossen, einen hohen Richter, dessen Namen ich hier seiner Verwandten wegen nicht nennen will. Er stand ein paar Reihen vor mir, und es fiel mir auf, wie schlecht er aussah. Hohläugig, mit dem bartlosen, totenschädligen Gesicht und dem Tropfenglas in der Knochenfaust, glich er wahrhaftig dem Tod, wie ihn die mittelalterlichen deutschen Meister darzustellen liebten, grinsend zum Tanz antretend, das Stundenglas in der Hand. Tat twam asi" das bist du! konnte ich zum andernmal sagen, was um so zutreffender war, als Kameraden
"


