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ANFANG VOM ENDE UND ENDE VOM ANFANG

ist, und der Schnee war teilweise sogar liegengeblieben; dar­über ließ sich einiges sagen. Übrigens wurde dieses Wetter­gespräch beiderseits mit vollendeter Höflichkeit geführt; der Gesandte war ein Mann von ältestem Adel und ein, wie man mir versicherte, hochgebildeter Jurist. Auch wäre der Empfang kaum befriedigender verlaufen, wäre er ein linksstehender Sozialist gewesen. Die Beziehung zur Literatur, die das amt­liche Österreich immer als eine lästige Nebensache, wenn nicht als eine frivole Nebenbeschäftigung gewertet hatte, fehlte von ganz Rechts bis ganz Links und wir wären diesfalls höchstens etwas strenger auf unsere Parteieinstellung hin angesehen und abgehorcht worden. ,, Der Österreicher", schrieb Hermann Bahr in seiner Selbstbiographie, hat im Ausland einen Feind, das ist sein Gesandter", das blieb in der Republik , wie es in der Monarchie gewesen war, wie ja auch die im Ausland uns regierenden Familien nahezu dieselben blieben. Aber im gege­benen Falle war es nicht einmal ein Feind, im Gegenteil; der Gesandte rühmte sich später, uns bei der französischen Regie­rung für die ,, Palmes de l'Académie" eingegeben zu haben, die wir zu unserer Überraschung auch erhielten. Es war nicht böser Wille und nicht einmal Abneigung, die seine Haltung bei jenem Besuch bestimmten, sondern nur Unvertrautheit und Ratlosigkeit, die ihn so fassungslos verwirrt erscheinen ließen. Wäre in meinem Wiener Arbeitszimmer, mich im Schreiben unterbrechend, eine Abordnung zur Bekämpfung der Reblaus unangemeldet bei mir eingetreten, ich hätte nicht verlegener aufstehen und die, Herren" begrüßen können.

Die Molière - Feier schloß wie alle derartigen Veranstaltun­gen in Paris mit einem festlichen Bankett. Das Essen war vor­züglich, die Weine gestuft, die Tischordnung an den ein Planetensystem bildenden kleinen und mittleren Tischen ab­gezirkelt wie zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten, die Tischreden literarische Kostbarkeiten. Wir zwei Österreicher saßen an