BESUCH IM DEUTSCHEN HAUPTQUARTIER

183

aber er sah so aus, als ob er es gewesen sein könnte, und da der ihm intellektuell überlegene Ludendorff allen so unsym­pathisch war, wählte die kompakte Mehrheit des deutschen Volkes Hindenburg zum Sieger, genau wie sie ihn zehn Jahre später zum Präsidenten wählte:

All das wußte man damals zwischen Kreuznach und Brüssel noch nicht, aber in Wien ahnte man es zumindest. Als ich von meinem rednerischen Ausflug ins deutsche Hauptquartier zu­rückkehrte, hatte es sich unter meinen Berufsgenossen bereits herumgesprochen, daß ich den Mund hatte auftun müssen. Mein viel zu früh verstorbener Freund Paul Zifferer faßte damals die etwas ironische allgemeine Meinung über meine Jungfernrede epigrammatisch zusammen, indem er indem er sagte: ,, Auernheimer hat einmal im Leben eine Rede gehalten, aber an Hindenburg ." Wenn darin eine Kritik meines Verhaltens lag, so war es eine, der ich nur beipflichten konnte, obwohl sich meine Ansprache auf das bei solchen Anlässen Schickliche, das heißt Unvermeidliche, beschränkt hatte. Es war mir bei diesem Ausflug ähnlich ergangen wie den Berichterstattern der damals noch neutralen Länder zu Beginn des zweiten Weltkrieges, Winter 1940, als sie sich von Reichsmarschall Göring einge­laden sahen, die von englischen Fliegern behaupteten Zer­störungen in Jütland auf das richtige Maß zurückzuführen. Sie saßen in Görings ,, Privatflugzeug", wie sie in ihren Berichten mit Stolz hervorhoben, und bezeugten rechtschaffen, daß sie von Zerstörungen so viel wie nichts gesehen hätten. Das taten sogar die amerikanischen Reporter, die bestbezahlten und korrekte­sten der Welt. Was sie nicht bezeugten, weil sie es nicht wuẞ­ten, war, daß man sie gar nicht nach Jütland geflogen hatte. Immerhin zog ich aus meiner Erfahrung die Lehre, daß es besser wäre, seine publizistische Unabhängigkeit bei derlei An­lässen durch Absagen als durch Ansprachen zu behaupten. Die Versuchung trat bald genug wieder an mich heran, diesmal aus