GEWITTER UBER OSTERREICH 139
sich beim Jockeyklub und gingen uneingeladen im Kondukt mit. Aber nur bis zum Westbahnhof.
Es war ein Gewitter, aber keines, das die Luft gereinigt hätte, im Gegenteil. Wenn ich heute über einen Abgrund von mehr als dreißig Jahren auf diese Zeit zurückblicke, so sehe ich, was dazwischen liegt, immer noch von schwarzen Wolkenballen überhangen. Noch nie hat ein Gewitter so lange gedauert und die versprochene Silberlinie einen stürmischen Horizont länger auf sich warten lassen.
Drei Wochen nach diesem traurigen, letzten Triumph ver- moderter Standesbegriffe rollten die von den Leitartiklern bis zum Überdruß angedrohten„eisernen Würfel“. Der Krieg überraschte mich und die Meinen auf dem Lande in unseren geliebten Bergen, wo wir den Sommer regelmäßig zu verbrin- gen pflegten. Daß wir das taten, war keineswegs eitel Genuß- sucht. Wien hat wie New York kein angenehmes Sommerklima. Man verließ es, nicht um müßigzugehen, sondern um unter günstigeren Voraussetzungen entschlossen weiterzuarbeiten. Zumal von uns Schriftstellern galt dies und der von uns ein für allemal bevorzugte Sommeraufenthalt kam unserem Vor- haben entgegen. Denn die wochenlangen Regenperioden, die den Ausseer Sommer fast wie den schottischen auszeichnen, wiesen uns allenthalben auf uns selbst zurück und steigerten die literarische Betriebsamkeit. Der Regen, der die Waldwege ver- murte, segnete unsere Felder. Es lag nahe, in solchen Zeiten, die allsommerlich wiederkehrten, den schwarzen See mit einem riesigen Tintenfaß zu vergleichen, in das die im Kreise herum- sitzenden Dichter ihre Federkiele tauchten.


