130 ERLEBTES OSTERREICH

hatte das Veto des Thronfolgers dem Kaiser hinterbracht, der sich daraufhin sofort für den auch ihm nicht übermäßig sympa- tischen Mann entschied. Und:Hundert Jahr wird er leben... hatte der vorlaute Papagei geschnarrt.

Wie die Dinge standen, gab es in diesen scheinbar so leicht hingleitenden, in Wahrheit schicksalsschweren Jahren zwei Parteien in unserem überalterten Österreich , eine Kaiserpartei und eine Thronfolgerpartei, aber in bezug auf den Krieg, der aus dem Wetterwinkel des Balkans immer gewitteriger heran- drohte, gab es drei. Der Kaiser, der ihn schließlich führen mußte, war unbedingt gegen einen Krieg. Der Thronfolger war für den Krieg, aber später; erst wollte er, womöglich noch im Frieden, die Thronrede, die er wahrscheinlich im Schreibtisch schon bereit hielt, verlesen und erst dann mit seinen Nachbarn und Feinden sich auseinandersetzen. Er erlebte keines von beiden, weder die Thronrede noch den Krieg. Die dritte Partei war die des Generalstabschefs Conrad und seiner Anhänger, die aus ihrer Kriegslust kein Hehl machten. Conrad selbst hetzte, ohne zu wanken und zu schwanken, zehn Jahre lang zum Krieg und suchte das Ministerium des Äußeren ohne Unterlaß in dieser Richtung zu beeinflussen. Was, da ihm ein verfassungs- mäßiger Einfluß nicht zustand, in dieser Weise geschah, daß er dem Grafen Berchtold, der Aehrenthals Nachfolger geworden war, fast täglich einen Brief schrieb. Und in jedem dieser Briefe stand ungefähr dasselbe: Italien muß gezüchtigt, Serbien ver- nichtet werden, sonst müsse die Monarchie in Stücke gehen.

Warum Serbien gezüchtigt werden mußte, von dem doch eigentlich mit Osterreich verbündeten Italien gar nicht zu reden, wußte niemand genau zu sagen; im Letzten doch nur, weil es ein junger aufstrebender Staat war, der dem alten Österreich auf dem Balkan im Wege stand. Durch die Jahrhunderte hatte der Habsburger -Staat den Ehrgeiz gehabt, ein übernationaler Länderverband zu sein, ein kleines Europa . Jetzt wollte er,