124 ERLEBTES OSTERREICH
allein zu bleiben, woran es niemand hinderte, oder ein großer Balkan zu werden, was gewissen imperialistischen, auch von Deutschland begünstigten Bestrebungen entgegenkam. Die Annexion Bosniens , eines an sich uninteressanten Landes mit einer pittoresken Hauptstadt, Sarajewo , war der erste Schritt, ja der entscheidende, in dieser Richtung. Es war zugleich ein räuberischer Schritt, denn er war gegen die Abmachung des Berliner Kongresses von 1878, die Österreich nur ein Mandat über Bosnien einräumte.
Natürlich war der ganze Balkan , ganz besonders aber das angrenzende Serbien , gegen die plötzliche Annexion. Und Serbien war Rußland , wie auch Bulgarien Rußland schon da- mals war. Österreich war bereits aufmarschiert und schien unter seinem neuen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf , dem Haupt der Kriegspartei, entschlossen, einzumarschieren. Die sogenannte„Gelbe“ Mobilisierung war angeordnet und Ruß- land, an der Nordostgrenze der Monarchie, antwortete in einem adäquaten Farbenton. Die„eisernen Würfel“, die die Leit- artikler nur noch mit Rücksicht auf die Börse— und die Zensur — hinterm Berge hielten, konnten jeden Augenblick„rollen“ und der Tanz beginnen. Und in dieser Stimmung fand die Generalprobe meines Stückes statt, die der Doyen des Burg- theaters im schwarzen Salonrock leitete.„Wer weiß“, sagte er mir mit einem angenehmen Lächeln beim Auseinandergehen, „ob die Aufführung nicht im letzten Augenblick wird ver- schoben werden müssen. Alles hängt von der Politik ab.“ Aus dieser diskreten Andeutung erfuhr ich, daß es so was gab wie Politik.
Am nächsten Tag erschien der Thronfolger, der die Speise- stunden im Hauptquartier für den Kriegsfall bereits festgesetzt hatte unter dem sanften Protest seines Generalstabschefs, der bescheiden darauf hinwies, sie würden im Zug der Operationen
vielleicht nicht immer einzuhalten sein, am Arme seiner Frau


