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Elektromotor eigener Konstruktion zu bauen, was mich ein Jahr lang völlig in Anspruch nahm. Aber schließlich begann das Rad sich schwungvoll zu drehen, was es noch immer tut, denn die kleine Kraftmaschine wurde später der Lehrmittelsammlung meines Gymnasiums einverleibt, wo sie vielleicht sogar mein Exil überlebt hat; denn Motoren wurden von den Nazi nicht verbrannt. Um aber auf mein Geschriebenes zurückzukommen, so mag es wohl sein, daß ich, während ich an jenem Motor baute, auch eine Novelle bauen gelernt habe; das Konstruktive ist ja in dieser wie in jeder Kunst von entscheidender Wichtigkeit. Aber sicher lernte ich auch noch etwas anderes, was ein junger Schriftsteller lernen muß: seine Mußestunden sammeln, um in monatelanger Arbeit einem selbstgewählten Ziele beharrlich zuzustreben, ohne sich durch die Vorfälle und Enttäuschungen des täglichen Lebens davon abbringen zu lassen; mit einem Wort, sich durch Disziplin vom Alltag unabhängig zu machen. So schreibt man am Ende ein Buch.
Freilich, auch der Dilettant schreibt so und verirrt sich dabei. Wo ist der Unterschied? Ich glaube, es gibt gar keinen. Jeder Schriftsteller war einmal ein Dilettant, so wie jeder von uns einmal ein Embryo war und sogar irgendwie bleibt. Pallas Athene ist aus dem Haupte des Zeus als eine fertige Persönlichkeit hervorgestiegen. Aber bei uns armen Sterblichen ist und bleibt es eine Frage der Entwicklung.
Wenn ich meine eigene literarische Entwicklung rückschauend überblicke, so sehe ich an der Wiege des noch in seinen Windeln liegenden Schriftstellerchens und Erzählungssäuglings zwei große europäische Schriftsteller meines Zeitalters stehen: Guy de Maupassant und Rudyard Kipling . Der eine ist mir als Vorbild oft vorgehalten und vorgeworfen worden; von dem stilleren Einfluß des anderen weiß niemand als ich selbst zu erzählen. Aber Kiplings Plain tales from the Hills" wurden dem Zwanzigjährigen zum Erlebnis, als er sie in der Wiener
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