BART DES PROPHETEN

A dem Barte meines Vaters überschwebte noch ein an- derer Bart meine Jugendjahre, während ich am Rande des Wiener Dichterwinkels ohne Übereilung heranwuchs. Es war aber ein gegensätzlicher Bart, ebenso tintenschwarz, wie der meines Vaters ährenhaft blond war, und so kam der Kontra- punkt.des Blutes, der mein ganzes Leben beherrscht und bewegt hat, auch hier wieder von allem Anfang an deutlich und bestim- mend zum Ausdruck.

Dieser seidig schwarze, ja geradezu märchenhaft schatten- dunkle Fliegende-Holländer-Bart umfloß den beredten Mund eines damals hochberühmten Wiener Schriftstellers, der sich als Korrespondent. derNeuen Freien Presse in Paris seine Sporen verdient hatte, wie man in der damaligen um jeden Preis ritterlichen Zeitungssprache sagte. Mit einem Wort es war der Bart Theodor Herzls, der ein Neffe meiner Mutter war.

Meine Erinnerungen an den großen Judenführer reichen in eine Zeit zurück, als er selbst noch nicht der neue Moses und sein kaum erst sprossender Bart noch völlig unberühmt war. Ich bin einer der wenigen, die Theodor Herzl noch glattrasiert, ja mit einem Kinn, an dem nichts zu rasieren war, gekannt haben.

3 Verlorene Zeit