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gefallene Erbschaft dem rastlos planenden und ebenso rastlos seine Pläne verwirklichenden Manne es möglich machte, das kleine Familienhaus auf der Hohen Warte in die Welt zu setzen, wurde ein richtiger Garten daraus, nämlich ein eigener. Denn nur die eigenen sind die richtigen, und diesen unschätzbaren Vorzug zumindest besaßen die paar Quadratmeter Landschaftsgrün, die das spitzgieblige, obzwar ebenerdige Haus mit dem erdbeerroten Ziegelschuppendach und dem schwarzbraun gebeizten ,, altdeutschen" Gebälk als ,, Garten der Kindheit“ von allen Seiten von nun an schützend umgaben.
Das Hübscheste an diesem Land- und Landschaftshaus aber war, daß wir Kinder werktätig daran hatten mitbauen dürfen. Es war ein junges, ein sozusagen kindliches Haus, das schrittweise mit uns aufwuchs; bald schaute es uns über die Schultern, bald wir ihm. Wenn etwas Geld einging, wurde gleich ein Lusthaus im Garten dazugebaut oder eine Bodenkammer oder gar ein Badezimmer, unerhörter Luxus in jener franziskojosephinischen Epoche, in der der Kaiser selbst, in seiner tausendjährigen Hofburg, noch kein Badezimmer hatte, wie mein Vater bürgerstolz hervorzuheben nicht unterließ. Diesen späteren Zubau außer Betracht gelassen, bestand das neue Haus aus fünf Wohnräumen, der Kopfzahl unserer Familie entsprechend: Vater, Mutter, meine Schwester Angela, ein nachgeborener kleiner Lothar und ich. Die heranwachsenden Kinder hatten jedes bereits sein Kabinett; die Magd, die zugleich Köchin war, schlief in der Küche in einem sogenannten Tafelbett, das sich, tagsüber zugeklappt, in einen länglichen Tisch verwandelte. Der Hund, der in einem solchen ,, eigenen Haus" nicht fehlen durfte, war bei uns sogar in zweifacher Ausgabe vorhanden: ein riesiger schwarzer Neufundländer, der Murad hieß, den an die Donau baden zu führen mein Vorrecht war, und ein weißer, quecksilbriger Pinsch, der auf den bodenständigen Namen Puffi hörte. Wenn der große, ein wilder Geselle, nachts über das


