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ERLEBTES ÖSTERREICH

,, Deine Dir lebende Jenny" unterschrieb, und dem blonden Wildling, den sie mit nur halber Zustimmung ihrer Eltern ge­heiratet hatte? Ich kann mir's recht gut vorstellen, obwohl ich in einem langen Leben nie danach gefragt habe. Unsere familiäre Lage muß sich damals einer kritischen Wendung bedenklich genähert haben. Die Pioniernatur meines guten Vaters drohte endgültig Schiffbruch zu leiden, Pottenstein war ein letzter hoff­nungsloser Versuch. Meine um drei Jahre ältere Schwester Angela war, als wir dorthin übersiedelten, bereits bei unseren Großeltern mütterlicherseits in Wien verblieben. Und nun hatte sich unsere Vermögenslage offenbar derart verschlechtert, daß es fraglich geworden sein mochte, ob nicht auch Mama und ich den Rückzug nach Wien würden antreten müssen. Zu jener Zeit arbeitete mein Vater nur noch mit einer einzigen, halb invaliden Hilfskraft, der zweite Arbeiter, der allerdings für zwei werkte, war er selbst. Auch war das ätherische Unternehmen längst zu einer gewöhnlichen Pechsiederei herabgesunken, und nur noch auf dem Schreibtisch meines phantasievollen Erzeugers, der übrigens in diesem Falle von einer, später für andere als durch­aus aussichtsreich sich erweisenden Idee geleitet war, prangten in blitzenden Kristallphiolen juwelenhaft zur Musterkollektion gereiht, die vielfarbigen ätherischen Ölprodukte, an die er sein Herz gehängt hatte. In dieser Lage mochte, den Zusammenbruch voraussehend, Mama eine Art Ultimatum gestellt und mit ihrer und meiner Rückkehr nach Wien gedroht haben. Da griff der Mann, der sich von seiner Familie nicht trennen wollte, zum Revolver.

Wir blieben dann doch noch den Sommer über in dem lieb­lichen Pottenstein , wo ich bei einem Fräulein Thornton lesen und schreiben lernte, eine bescheidene Fertigkeit, die mich durchs Leben begleiten sollte. Das lebhafte Mädchen, das mir als solches in angenehmer Erinnerung geblieben ist, war offen­bar englischer Abstammung, was mich am Ende meines Lebens,