GARTEN DER KINDHEIT

21

Artikel zu schreiben, worin er bald bemerkenswertes Talent verriet; von ihm ließ er sich über die Niederlage Boulangers in den französischen Kammerwahlen berichten, während eines Empfanges auf der Deutschen Botschaft, zwei Tage vor Mayer­ling, was zu denken gibt. Zu ihm spricht er sich brieflich über die lärmende Vulgarität des ungefähr gleichaltrigen, eben auf den Thron gelangten Kaisers Wilhelm des Zweiten aus und über den Neu- Berliner Rassenantisemitismus, den er als ,, puren Ma­terialismus" brandmarkt. Es war allerhand zu erwarten von dieser neuesten Ausgabe des spanisch- habsburgischen Don Car­ los in österreichischer Generalsuniform.

Von dieser geschichtlichen Ähnlichkeit wußte freilich das da­mals junge Österreich , das es am nächsten anging, nicht viel. Kann sein, daß das vergreiste Österreich , das silberbärtige, das den zähen Beharrungswillen des Monarchen in die erbötige Tat umsetzte, etwas mehr wußte. Das aber behielt seine Wissen­schaft weislich für sich. Erst dreißig Jahre später, nach dem Sturz der Dynastie, als in einem der ,, deutschen Orientierung" zum Opfer gefallenen, entwürdigten Wien der Traditionskerker des Hof- und Staatsarchivs knirschend seine bis dahin unzu­gänglichen Geheimfächer auftat, entrang sich Rudolfs schrift­lichem Nachlaß in einer Staubwolke die Wahrheit, daß es bitter­schade war um diesen Mann, schade auch um Österreich , dem sein vorzeitiger Tod den Weg zum Abgrund freigab.

,, Mein Sohn ist wie ein Schneider gestorben!" lautete der Nachruf des Kaisers Franz Joseph , als man ihm melden mußte, was in Mayerling geschehen war. Ein herzloses Wort, das den herzlos in leerer Förmlichkeit erstarrenden Hof kennzeichnete. Trotzdem mochte es den Nagel auf den Kopf treffen, wie dies die Worte des ,, Allerhöchsten" so nannten die loyalen Öster­reicher ihren nichtendenwollenden Monarchen-in ihrer phan­tasielosen Nüchternheit oft genug taten. Aber vielleicht war Rudolf nur deshalb wie ein Schneider" gestorben, weil die

ララ