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vorgestern dadurch gekennzeichnet, daß ihr die eigentlich menschlichen Adelsprädikate im Schatten des Evangeliums" und des Antichrist! verloren gegangen sind: ein waches Gewissen zu haben, die Pflicht über alle persönlichen Neigungen und Bedürfnisse zu stellen, dem Mitmenschen als einem ständigen Anruf sich verpflichtet zu wissen, die Wahrhaftigkeit oder wenigstens das Streben danach allem Glückseligkeitsverlangen vorzuordnen, Ehrfurcht vor allem Lebendigen, vor jedem seelischen Leben und Ausdruck, vor Wesen und Ordnung der Geschlechter zu bezeugen, sein Wollen und Wirken an der überzeitlichen Gottheit und ihren ewigen Gesetzen zu orientieren? Ja, meine Freunde wir sagen es ohne Bitterkeit und Verachtung, aber mit dem beschwörenden Ernst, der unserer deutschen Stunde geziemt!, die Masse unseres Volkes und zwar aus allen Ständen! nennt keines dieser Güter mehr sein eigen und kehrt entschlossen den Rücken allen, die sie noch besitzen. Mögen Sie erschrecken und fast möchte ich es Ihnen wünschen aber es ist meine unerschütterliche Meinung, daß es eine Reihe und Gliedschaft sei: der Durchschnittsdeutsche von gestern und heute, wie er seinen Sonntag verbringt, welche Filme er liebt, welche Bücher er liest und nicht liest, was er im Radio anstellt, was er von seiner Frau und Ehe verlangt, welche Wirtschaftsprinzipien er vertritt, und- der Parteisoldat vergangener Tage, der keine seelische Erregung vor einem Genickschuß oder der Vergewaltigung wehrloser Menschen empfindet, wenn er nur eine Zeitlang darauf dressiert wird! Es ist wirklich nur ein Schritt von dem, was zwei junge Leute unserer Tage ,, Liebe" nennen, bis zu dem Parteisoldaten, der sich am Gut seines wehrlosen Feindes bereichert. Die Distanz, die wir da festzustellen pflegen, stammt aus einer bürgerlichen Welt, der das Kainszeichen der Verlogenheit oder jämmerlicher Einbildung von der Stirne schreit. Es ist eine Reihe von deutschen Menschen, die jede organische Verbindung nach rückwärts zu deutscher Geschichte, deutscher Kultur, deutscher Wissenschaft, zu fast allen in Natur und Menschheit seit Urzeiten gültigen Gesetzen, aber auch zur Weltgeschichte und Weltkultur abgebrochen haben; und das um des einen Linsengerichtes willen: das nackte Leben des Augenblicks für den Augenblick zu wahren. ,, Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot." D. h. aber mit einem Wort: der Rückfall in das Barbarentum, den ein so gründlicher Kenner der deutschen Seele und der deutschen Geschichte wie August Friedrich Christian Vilmar bereits vor 100 Jahren unserem Volke aufgedeckt hat, so scharf auf den Grund der modernen deutschen Seele sehend, daß er im Jahre 1850 schreiben konnte: ,, Es ist klar, daß eine Berufung auf das Gewissen in dem früheren Sinne gar nicht mehr möglich ist; es ist klar, daß eine Berufung auf das Gewissen in der jetzigen Bedeutung des
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