. Mit Recht hat der Vorsitzende die Angeklagten wiederholt gefragt, woher

sie das Recht nahmen, die Häftlinge zu schlagen. Es mag ein allgemeines Aufatmen durch den Gerichtssaal gegangen sein, als man hörte, daß es Meister in Kamienna gab, die unter Gefährdung ihres Lebens und ihrer Freiheit bereit waren, den unglücklichen Opfern zu helfen. Wie dankbar die unglücklichen Opfer derHölle von Kamienna sind, geht schon allein aus der Tatsache hervor, daß fast alle Zeugen, die hier auftraten, für den Angeklagten Krosta eintraten, nur deswegen, weil er nicht geschlagen hat und sie menschlich behandelte.

Daß Leute wie Graichen und FärberalsEntlastungszeugen bemüht waren, die Angeklagten zu entlasten, weil sie angeblich nichts oder nur Unwesentliches gesehen haben, ist verständlich, nutzte aber dennoch nichts. Sie wurden von ehemaligen Häftlingen erkannt, zur Anzeige gebracht und am selben Tage in Haft genommen.

Die heutigen Zeugen haben durchweg alles das bestätigt, was die bisher vernommenen Zeugen aussagten. Das letzte Glied der Beweiskette, wenn es überhaupt noch fehlte, wurde heute erbracht. Der Zeuge Giesel erklärte dem Gericht: ‚,.... wir hatten nur Drahtbürsten, und der Zeuge Stelzner sagte:Daß Juden nach Werk C geschickt und erschossen wurden, das wußte auch Seidel, und zwar ganz bestimmt. Der Zeuge Herold war ja nun lange genug in Kamienna und kannte die Verhält- nisse dort wie kaum ein Zweiter. Seine Aussage war so erschöpfend, daß man von ihm erfuhr, daß nichts, was man den Angeklagten vorwarf, über- trieben, sondern leider Wirklichkeit war. Und die Angeklagten? Sie hatten sich nun einmal aufs Leugnen verlegt und blieben auch an diesem Tage dabei. Aber über die Zwecklosigkeit ihres Leugnens dürften sie sich am 24. November wohl restlos klar geworden sein.

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Am 25. November stellt bei Beginn der Verhandlung der Anwalt des Dr. Rost den Antrag, seinen Mandanten auf seinen Geisteszustand unter- suchen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft widerspricht diesem Antrag. Das Gericht gibt bekannt, später darüber entscheiden zu wollen.

Der Zeuge Miller aus Landsberg wird zunächst vernommen und

erkennt Seidel wieder.

Ich kam, so sagte der Zeuge, ‚1942 nach Kamienna und wurde Seidel zugeteilt. Ich erinnere mich eines Falles. Da muß- ten wir Männer und Frauen gesondert in einer Reihe antreten. Von den 120 Frauen hat Seidel sich die schönsten 10 Frauen

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