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Angeklagte Tietge erklärte, das, was sie damals ausgesagt habe, stimmt. Trotzdem bestreitet Seidel nach wie vor.
Der Generalstaatsanwalt hält dem Zeugen Herold seine in der Vor- untersuchung gemachte Aussage bezüglich des Angeklagten Seidel ent- gegen und der Zeuge erklärt:„Ich kann nur wiederholen, was ich gesagt habe, daß während dieser Aktion Juden beiseite gestellt worden sind. mit der Bemerkung: ‚Du wirst ein schönes Stück Seife!‘, weil die Juden nichts abzugeben hatten. Der Mann war dem sicheren Tode preisgegeben. Mir tat das leid. Man nannte mich den ‚Judenonkel‘. Seidel forderte mich auf: ‚Du schlägst noch heute einen Juden!‘ Ich sagte: ‚Es gibt auch noch andere Mittel.“ Ich bin im Juni 1942 hochgekommen und bin bis Ende der Kamienna-Aktion dabeigewesen. Ich machte mir zur Aufgabe, diese Leute zu schützen.
Es haben sich da Fälle zugetragen, wo Judenfrauen, wenn sie sich in anderen Umständen befanden, vom Werkschutz erschossen wurden. Eine Jüdin trat an mich heran und sagte: ‚Sie sind der einzige, der mir das ‚Leben retten könnte. Vielleicht sind. Sie so gut, mich zu einem jüdischen Arzt zu führen.‘ Den Fall habe ich Martin Giesel erzählt. Ich habe zu ihr gesagt: ‚Laut den Nürnberger Gesetzen setze ich mein Leben aufs Spiel, wenn ich Sie zum Arzt führe.‘ Ich hatte mich entschlossen, den Fall aus- zuführen. Ich bin um 10 Uhr in das Lager gegangen und habe die Jüdin mit ihrem Mann herausgeholt unter dem Vorwand, ich brauchte sie zur Arbeit. Ich habe sie zur Stadt geführt und dem, Arzt vorgeführt. Der Arzt hat den Eingriff gemacht. Sie war sehr geschwächt und konnte nicht laufen. Wir haben eine Kutsche genommen. Wir haben sie und ihren Mann in der Kutsche gefahren. So sind wir durch die Straße gefahren. 200 m vor dem Werk habe ich die Leute aussteigen lassen. Das hatte ein Werkschutz- mann bemerkt. Den nächsten Tag wurde ich zur Direktion bestellt. Krause sagte mir, ich könnte von Glück reden, von einer Strafe wegzukommen. Wir wurden seit dieser Zeit da oben verachtet. Die Jüdin lebt heute noch und lebt in Türkheim in Bayern . Sie hat bereits heute ein Kind. Den Namen habe ich nicht bei mir.“
Bezüglich des Angeklagten Köhler erklärt der Zeuge, daß er mit ihm zusammen in einer Abteilung beschäftigt war.„Köhler kam öfter abends zu mir in das in meiner Abteilung gelegene Büro und sagte: ‚Jetzt habe ich mir aber mein Mütchen gekühlt. Jetzt habe ich aber die Juden geschlagen.‘ Auf meinen Vorhalt sagte Köhler dann: Du paßt ja gar nicht hierher. Du bist zu weich. Du bist am falschen Platz!‘
Da kam ein jüdischer Polizist. Dem hatte Köhler die Anweisung gegeben, einen kranken Juden zu holen. Der Polizist sagte, das wäre unmöglich,
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