ihr Diät und brachte sie im Revier unter, wo sie dann Ende 1944 ge- storben ist.
Einen ähnlich schweren Stand hatte die etwas jüngere und gesund- heitlich stabilere berühmte bulgarische Pianistin Tschernajeff, die mir sofort als innerlich großer Mensch auffiel, als sie krank im Block 11 lag. Den Rohlingen des Lagers, sowohl auf dem überfüllten Wohnblock 26, wie auch den Bettnachbarinnen auf Block 11, war sie gut genug als Klotz, auf dem man herumhacken kann, um sich wichtig zu tun, denn die vornehme und edle Frau konnte sich nicht wehren, sie war zu allem still.— Am Tage nach meiner Entlassung suchte ich einen Musikverleger in Berlin , Uhlandstraße 193, auf, den sie mir genannt hatte, und der sofort Schritte zu ihrer Befreiung unternahm.
Auf Block 15 kannte ich die Sekretärin des amerikanischen Konsulats in Lyon , Mlle Sandoz, die auch allerhand durchmachte, aber sich tapfer durchschlug, selbst bei der ungewohnten Aıßenarbeit, die ihr besser bekam als das Herumsitzen auf'dem Block. Ihre Nachbarin war die geistvolle orthodoxe Nonne Mere Marie, Russin, Mutter von 3 Kindern, die zur St. Madelaine-Cathedrale in Paris gehört. Sie fertigte neben ihrem Strickpensum aus Stoffresten kleine Kunstwerke an Taschen-
tüchern, Handtaschen sınd dergleichen an, die andere regelrecht bei ihr bestellten, wofür sie ihr etwas Zusatznahrung gaben.— Manche über- nahmen es, für andere zu waschen unid zu flicken. Auf diese Weise bildeten sich ganz eigenartige„geschäftliche Beziehungen“ und„Existen- zen“ heraus, die meisten auf freundschaftlicher Basis. Frau Kobler, die fast jede Woche ein Paket von Zuhause bekam, konnte sich regel- rechte Knappen halten, was ihr bei ihrem schweren Posten als Vorstricke- rin auf Block 14 sehr zustatten kam. Sie half dabei zugleich Hungrigen aus der größten Not. Ihr Trabant war Ritschi, ein Wiener Original, die uns das humoristische Lied vom Hering und der Pellkartoffel bei- brachte, die einander liebten.
Unvergeßlich wird mir immer die leider im Lager Anfang 1945 an einer Lungenentzündung verstorbene Tomtesse de Ganay bleiben, die schon im Zugangsblock mit mir zusammen war. Sie sagte immer zu mir: „Ihre Lehre wird diesen Krieg besiegen, denn er ist nur auf der Grund- lage der Liebe zu überwinden.“ Von meiner Ontologie meinte sie, daß sie die Grundlage der künftigen Welt darstelle.— Die Chinesin Nadine _ Wang, eine der wissenschaftlich durchgebildetsten Frauen im Lager, Dr. jur., Oberst und Sekretärin des chinesischen Ministerpräsidenten, sowie
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