hatte. Er entließ mich mit dem Versprechen, er werde sehen, was sich tun ließe. Zwei Tage später wurde ich wiedernach vorn geholt, am eisernen Tor empfing mich der Schutzhaftlagerführer Breuning, er nahm mich mit ins Casino, wo zwei Wehrmachtsoffiziere mich ins Verhör nahmen, von dienen der eine ein Jurist war. Dieser stellte mir viel Fragen betreffs meines Studiums und meiner politischen Ansichten. Ich wurde.aufgefordert, dasselbe zu Papier zu bringen. Nach 4 Tagen wurde ich wieder zum Lager-Kommandanten Suhren gerufen(er war Sturmbann- führer, im Zivilberuf Kriminalist). Er erklärte mir, daß er mich aus dem Lager herausnehme und als Sonderhäftling in einem Einzelraum imZellenbau(Bunker genannt) unterbringen werde, wo ich Erleichte- rungen haben würde; ganz freilassen könne er mich leider noch nicht. (Himmler hatte die Freilassung nicht gestattet, wie mir später die Auf- seherin Lampe mitteilte.) Ich durfte nun Privatkleider tragen und bekam als einzige im Lager eine weiße Armbinde. Vorher hatte ich zu denPolitischen Häftlingen gehört, die einen roten Winkel trugen.

In der Einzelzelle war mir eine wunderbare Gelegenheit geboten, mich zu konzentrieren. Während der ersten 10 Tage hatte man mir Arbeit in der Materialausgabe angewiesen, doch war dort so gut wie nichts zu tun, und so benützte ich die freie Zeit, um endlich wieder einmal zu

schreiben. Die 4 jungen Mithäftlinge, die(außer zu den Zeiten der Mate- rialausgabe) für sich und andere wuschen, nähten, Seife, Stoff, Öl und anderes Materialorganisierten, fürchteten, ich könnte sie verklatschen und wollten mir zuvorkommen. So wurde ich wegen Ungeeignetleit ent- lassen und zum Kommandanten gerufen. Ich erklärte ihm, er möge mir Arbeit auf meinem Fachgebiet geben, dann würde ich ganz bestimmt nicht versagen. Die zentnerschweren Lasten in der Materialausgabe könnte ich nicht auf- und abladen. Ich sei ja nicht wegen Arbeitsverweigerung ins Lager gekommen. Das Massensystem in der Wirtschaft vernichte die höheren Anlagen im Menschen, da es keine Verwendung dafür habe, und das durch den Massenbetrieb bedingte bürokratische System öffne dem Denunziantentum Tür und Tor im Lager wie draußen. Der Kommandant hat sich das alles von mir sagen lassen, ja sogar die Aufseherin, die sich von den Mithäftlingen hatte gegen mich auf- hetzen lassen und mich bei ihm verklatschte, fristlos entlassen. Den Vorrat an Schreibpapier, den ich mir zus der Materialausgabe mit in den Bunker genommen hatte, nahm mir die Aufseherin Mewes später weg. Es gab jedesmal eine Szene, wenn sie etwas bei mir entdeckte!

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