da sie Auszüge aus Feldpostbriefen vervielfältigt und damit eine Propa- gegen das Erschießen von Soldaten, die sich politisch gegen das _ Naziregime betätigt hatten, betrieb.— Groß war die Zahl derer, die einen Feindsender gehört hatten, um sich eine eigene Meinung zu bilden; ‚größer noch die Zahl der sogenannten Arbeitsverweigerer, die ohne Erlaubnis ihren Arbeitsplatz verlassen hatten, wofür aber oftmals ein dringender Anlaß vorlag. Am größten war die Zahl der sogenannten „Bettpolitiker‘“, die auf Grund der Liebschaft mit einem kriegs- gefangenen Ausländer eingesperrt wurden, meistens waren sie durch Denunzianten der Gestapo in die Hände gespielt worden. Straffrei gingen die Frauen aus, wenn derselbe Ausländer freier Arbeiter war. Die Rassen- frage wurde also nicht vom Blut her, sondern nach politischer Willkür ‚entschieden.— Häufig waren auch die Fälle der„Judenbegün- stigung‘“, sowohl reine Freundschaftsbezeugungen als„Erschleichung jüdischen Vermögens“ in Verbindung mit sogenannten Kriegswirt- schaftsvergehen.— Unsympathisch waren die krassen Materia- listen. Ich denke an eine Fleischersfrau, die wöchentlich mehrere Schweine schwarzgeschlachtet hatte und-— als eine von uns meinte, sie werde wohl den Kopf abbekommen— erklärte:„Wegen die paar Würschte“. Sie kam bald in eine andere Zelle, ebenso eine Bäckersfrau, die das Brot zum zehnfachen Preise ohne Marken zu verkaufen pflegte.
Belanglosigkeiten, wie das Aneignen einer gefundenen Brotkarte, wur- den unverhältnismäßig schwer bestraft, wenn die Betreffenden nicht in der Lage waren, sich„loszukaufen“, z.B. 300.— RM für die NSV. zu „stiften“.— Die Frau eines Fabrik-Direktors, die zentnerweise unge- brannten Bohnenkaffee u.a. Raritäten auf dem schwarzen Markt gekauft hatte, wurde am ersten Abend wieder frei gelassen, ebenso eine Wienerin, Pissi Ueberreiter, die sich rühmte, 35 Kleiderkarten gekauft zu haben, aber dem Gestapobeamten, der sie festnehmen mußte, rechtzeitig ent- sprechende Tausender zugeschoben zu haben; für den sei das ja„beinahe ein Jahresgehalt“, meinte sie geringschätzig.„Hätte Ihr Bruder die 1000 RM lieber dem Gestapokommissar anstatt dem Rechtsanwalt gegeben, dann wären Sie längst frei“, sagten die größtenteils sehr gewitzten Mit- gefangenen zu mir. Das wäre aber auf meinen Fall gar nicht zugetroffen und wäre auch nicht in Frage gekommen. Jeder Fall lag anders.
Von den 15—20 Frauen der Zelle 17 waren meistens über die Hälfte, eeilweise sogar fast alles, Ausländerinnen.— Die Rumarın Felicitas, genannt„Feechen“, war zusammen mit ihrem Mann, einem rumä-
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