In der Hauptsache waren es Kommunisten, Demokraten und„Reak- tionäre“ fast aller europäischen Staaten, die hier zusammentrafen, um die Tage, Wochen oder Monate bis zu ihrer Freilassung bzw. Aburteilung abzuwarten. Mit den„Schwerpolitischen“, die größtenteils in Einzelzellen untergebracht waren, auch denen aus dem Charloitenburger Untersuchungs- gefängnis und ähnlichen Einrichtungen, kam man gelegentlich im Gestapo - Hauptquartier Prinz-Albrecht-Straße 8 aus Anlaß von Vernehmungen oder an Besuchstagen zusammen. Dort lernte ich die junge prächtige Eli- sabeth von Brockdorf kennen, die— ebenso wie der Oberregierungs- rat des Wictschaftsministeriums Dr. von Harnack mit Gattin m später hingerichtet wurde. Sie waren in eine große, 400 Personen um- fassende kommunistische Aktion verwickelt, die. von einem Referenten des Luftfahrtministeriums, Schulz-Boyen, ausging, dessen Tante auch bei uns untergebracht war.— Die Freiin von Armin, deren ein- ziger Sohn als Flieger abgeschossen worden war, verließ Zelle 17, nach- dem sie ihr Todesurteil unterschrieben hätte; man verdächtigte sie der Spionage wegen unerlaubten Grenzübertrittes nach Dänemark . In Wirk- lichkeit hatte sie die Aussage verweigert, um einen hohen Offizier zu decken. Jeder einzelne der Todeskandidaten, mit denen man unvergeß- liche Stunden durchlebt hatte, lag einem lange Zeit auf der Seele. — Frau Bargum geb. Freiin von Hammerstein, Gattin!sines, Offiziers aus dem Luftfahrtministerium, war von ihren Portierleuten als politisch verdächtig angezeigt worden. Bei der Haussuchung fand die Gestapo 60 belastende Briefe, die sie im Jahr zuvor ihrem Mann ins Feld geschickt hatte, worin sie laufend die Gestapo -Morde geißeite, die wahren Todes- ursachen der Reichenau, Udet u.a. aufdeckte. Eine aus dem Zuchthaus Kottbus zurückgekehrte frühere Krankenschwester, die in den nächsten Tagen entlassen werden sollte, versprach ihr, Briefe an ihren Mann herauszuschmuggeln, gab diese aber der Gestapo ab und wurde dafür von der Gestapo als Agentin eingestellt. Frau Bargum wurde nun oben- drein wegen Zeugenbeeinflussung verurteilt und kam nach Kottbus . Gegen 40 Personen wurden als„beeinflußte Zeugen“ vorgeladen und die meisten von ihnen auf kurz oder lang eingesperrt.— Die Bibliothe- karın Clothilde von Schenck von der Wehrmachtsbibliothek in der Dorotheenstraße wurde schon nach wenigen Tagen durch das Eintreten ihrer Behörde befreit, obgleich sie damit rechnete, erschossen zu werden,
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ZIRSt


