gernden und schon durchnäßten Gestalten, die sich am frühen Morgen mit'aller Kraft nur so dahinschleppten, den Marsch blasen. Es war ein Bild des Grauens....
Wir waren an diesem Tage wie immer bei unserer Arbeit, als plötz- lich, so gegen 9 Uhr, die Lagersirene ertönte.„Einrücken!“ Was war los?. Überall traf man auf bange, fragende Gesichter. Was ist los? Aber nie- mand konnte Antwort geben. Vermutungen wurden laut. Nichts, ab- warten! Abwarten, oh, diese Ungewißheit, denn bei diesen SS -Horden mußte man mit dem Schlimmsten rechnen. Und wir verrechneten uns nicht. Auch diesmal nicht.
Der Ton der Kommandos und die unflätigsten Schimpfworte, wie „Drecksäcke“,„Himmelhunde ihr verdammten“, ließen auf das Schlimmste schließen. Bald war es auch heraus, was los war. Wir, die Häftlinge, sollten aus einem Schweinestall, der sich im Lager befand, ein Schwein gestohlen und geschlachtet haben. Der Kopf des Schweines wurde im Lager vergraben aufgefunden. So lautete der Bericht des Lagerkom- mandanten, natürlich ebenfalls mit den obigen Ehrentiteln verbrämt. „Ihr bleibt stehen bis zum Verrecken“, so lautete sein Urteil.
Nun standen wir wieder im Morast, dessen Nässe bald den Weg durch die zerrissenen Schuhe fand. Unser Essen wurde soeben in den Schweinestall getragen.
Und wir standen hungernd und frierend. Die Zeit schien stillzu- stehen, so träge rückte der Zeiger der Lageruhr vor. Mit Anbruch der Dunkelheit drückten wir uns näher zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen. Wie eine Herde Schafe. Die kriegen uns nicht klein, hörte
man hier und dort flüstern, oder, was können sie uns tun? Leid! Ja, leid können sie uns tun, wenn sie, die SS, glaubte, uns klein zu kriegen. So standen wir hungernd und frierend.. Oben Nässe, unten Nässe. Grau war der Himmel und grau die Welt. Aber wir standen, die Ohren steif und den Kopf oben. Jetzt, wo wir drin waren, mitten drin im Schlamassel, da sprachen wir auch wieder freier, sprachen uns gegenseitig Mut zu, obwohl wir noch nicht wußten, was da oben über uns beschlossen wurde. So standen wir von 9 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. 13 Stun- den ließen die Verbrecher uns stehen. Hungernd und frierend.. Am anderen Morgen Appell wie immer. Die Kaffeeholer waren unverrich- teter Dinge wieder zurückgekommen. Nichts, weder zu essen noch zu trinken. Ob sie uns arbeiten lassen würden? Arbeiten ohne Essen? Natürlich, zu allem waren diese Nazis fähig.
Abends schleppten die Arbeitskommandos ihre vor Hunger zu- sammengebrochenen Kameraden ins Lager. Ein Elendszug. Und bei dem Appell brachen hier und da immer wieder Menschen zusammen. Uns blutete das Herz. Die SS aber zeigte höhnische Gesichter.„Abrücken“, lautete das Kommando. Aus unserem Block setzte eine Stimme mit dem Liede ein:„Eine Woche Hammerschlag, eine Woche Häuserquader“, und in ohnmächtiger Wut klang es aus tausend Stimmen:».... mit, uns zieht die neue Zeit!“ So hatten wir früher die„Internationale“ gesungen,
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