Der-Prozeß beginnt.

Die Nazis wollten einen Monstreprozeß um Andre&e veranstalten, eine Galavorstellung, in der dieVerworfenheit und Finsternis der deut- schen Linken aufgezeigt werden sollte. Und das mißlang völlig, trotz der Rechtsverdreherei des Nazigerichts und allen Kulissenzaubers. Um ein Todesurteil zu erzielen, wirft ihm die Anklage in Tateinheit mitHochverrat gemeinschaftlichen, vollendeten und versuchten Mord, sowie Aufruhr und Landesfriedensbruch alsRädelsführer vor. Um zu dieser Anklage zu gelangen, macht der Staatsanwalt Andree für alle Zusammenstöße zwischen SA-Formationen und antifaschistischen Arbeitern in den Jahren 19301933verantwortlich. Um ganz sicher zu gehen, erklärt der Staatsanwalt am 1. Tag der Verhandlung, daß er eine Nachtragsanklage einreichen werde, die auch die Vorgänge des Altonaer Blutsonntags vom 17. Juli 1932 zum Gegenstand der Anklage segen Andr&e machen sollte. Wegen der Zusammenstöße an diesem Tag wurden bereits 9 Antifaschisten, u. a. Fiete Schulze, hingerichtet.

Edgar Andre&e denkt keinen, Moment daran, vor seinen Anklägern zurückzuweichen. Von einem Angeklagten wird dieser mutige und kon- sequente Vertreter der Hamburger Werktätigen zu einem Ankläger des grausamen Hitlerregimes. Andrees heldenmütiges Auftreten macht selbst auf den brüllenden faschistischen Gerichtsvorsitzenden großen Eindruck. Auf die Frage des Vorsitzenden, warum Andree bei der Hamburger Arbeiterschaft so populär ist, antwortet er:,Es gibt Men- schen, die sich selbst als großen Redner bezeichnen. Ich kann es von mir nicht sagen. Wenn Sie wissen wollen, warum mich die Arbeiter Hamburgs als ihren Freund betrachten, dann lesen Sie in Ihren Po- lizeiberichten nach, Sie werden dort die Antwort finden.

Protest gegen Mordversuch an Edgar Andree

Mit fieberhafter Spannung verfolgen die Hitlergegner und Edgars alte Freunde in Hamburg den Prozeß. In den überfüllten Zellen des Hamburger Untersuchungsgefängnisses sitzen die politischen Häftlinge und versuchen verzweifelt,Nachrichten über, Edgar zu erhalten, Kal- faktoren und Gefangenenwächter berichten über Edgars Verhalten vor Gericht. Mut und Zuversicht erfüllt die Gefangenen, Edgars mutiges Auftreten stärkt ihren Widerstand und läßt sie Schläge mit Ochsen- ziemer und Tritte von schweren Nagelstiefeln leichter ertragen._

- In den Arbeiterquartieren Hamburgs versammeln sich kleine Grup- gen von 34 Mann heimlich in den Wohnungen und besprechen den Pro- zeß.. Berichte über den Verlauf werden entgegengenommen und ge- sammelt. Das Material wird durch einen Verbindungsmann ins Aus- land geschickt und dort an die sozialistischen Organisationen weiterge- leitet. Kurze Zeit später gibt es in Prag , Paris , Kopenhagen , Stock- holm und anderen Städten große Massenkundgebungen, tausende pro-

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